Woidke und seine Kenia-Koalition in Brandenburg

Nov 26, 2019 at 22:05 781

Im September 2019 wurde Rot-Rot in Brandenburg abgewählt, obwohl laut einer Umfrage 59% der Wähler mit Ministerpräsident Woidke zufrieden waren. SPD, Linke und Grüne haben neu zusammen ingesamt 45 Mandate im Brandenburger Landtag mit insgesamt 88 Sitzen gewonnen. Also eine knappe Mehrheit. Eigentlich wäre Rot-Grün-Rot die logische Lösung für das Bundesland gewesen, da diese drei Parteien inhaltlich die grössten Schnittmengen haben und vor allem 63% der SPD-Wähler, 75% der Grünen-Wähler und 72% der Linke-Wähler Rot-Grün-Rot als die beste Option für ihr Land betrachten.

Ministerpräsident Woidke wurde am 20. November 2019 zwar als Ministerpräsident wiedergewählt, jedoch nicht von Rot-Grün-Rot, sondern von einer Kenia-Koalition. Die SPD mit ihren 25 Landtagsabgeordneten, die CDU mit 15 und Bündnis 90/Die Grünen mit 10 kommen insgesamt auf eine komfortable Mehrheit von 50 von insgesamt 88 Sitzen im Landtag. Ministerpräsident Woidke wurde denn auch bereits im ersten Wahlgang wiedergewählt. Allerdings nur von 47 Abgeordneten. Es fehlten also mindestens 3 Stimmen aus dem eigenen rot-schwarz-grünen Lager. Die Wahl ist zwar geheim, doch darf angenommen werden, dass die Linke mit ihren 10 Stimmen, die Freien Wähler mit deren 5 und die AfD mit ihren 22 (einer der 23 Abgeordneten war abwesend) geschlossen gegen die neue Regierung stimmten.

Es ist bekannt, dass die rechtslastige, ehemalige CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig (geborene Saskia Funck) bis zuletzt gegen eine Kenia-Koalition in Brandenburg ankämpfte. Es ist durchaus möglich, dass alle 3 Abweichler der neuen Regierungskoalition allesamt aus der CDU kommen, da ein zusammengehen mit SPD und Grünen als Linksruck verstanden werden kann. Das birgt die Gefahr, dass die AfD sich als einzige „bürgerliche“ Partei rechts von der Mitte verkaufen kann und die CDU bei der nächsten Landtagswahl nochmals abgestraft wird. Sie hat ja 2019 bereits 7,4% gegenüber 2014 verloren. SPD und CDU fuhren 2019 in Brandenburg die schlechtesten Ergebnisse ihrer Landesgeschichte ein. Die AfD kann also von einer Koalition der Verlierer sprechen, die um die erfolgreichen Grünen als kleinstem Partner ergänzt wurde. CDU und SPD bilden zudem in Berlin eine Grosse Koalition, was die politischen Ränder zudem stärkt.

Die neue Regierung in Brandenburg besteht aus Ministerpräsident Woidke (SPD) sowie 5 Ministern aus der SPD, 3 aus der CDU und 2 von den Grünen. Im Vorfeld der Regierungs bildung habe alle drei Kenia-Partner klar dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Bei der SPD befürworteten auf einem Sonderparteitag 113 von 114 Delegierten – also über 99% – den Koalitionsvertrag, bei den Grünen mehr als 90% in einer Urabstimmung und bei der CDU 84% in einer Mitgliederbefragung.

Der Koalitionsvertrag

Die Kenia-Koalition verspricht bereits im Titel ihres 84-seitigen Koalitionsvertrags für Brandenburg „Zusammenhalt, Nachhaltigkeit, Sicherheit“. Die Koalitionäre schreiben: „Die Gleichzeitigkeit von Klimawandel und Globalisierung, Digitalisierung, demografischem Umbruch und globaler Migration stellt auch unsere Heimat vor bislang ungekannte neue Aufgaben. Das erfüllt nicht wenige Menschen mit Zukunftssorgen. Tatsächlich aber bergen die neuen Herausforderungen auch neue Möglichkeiten. Brandenburg hat es heute in der Hand, zu einer Gewinnerregion des 21. Jahrhunderts zu werden.“

Die Autoren führen aus: „Sicherheit, Wohlstand, Zusammenhalt und Umwelt lassen sich heute nur mit der beständigen Bereitschaft zu Wandel und Erneuerung bewahren. Gefragt sind deshalb neue Zuversicht und neuer Zukunftswillen. Gefragt ist ein handlungsfähiger Staat mit effektiver Verwaltung. Gefragt ist eine Kultur des Vertrauens und des Zusammenhalts in Vielfalt.“

Rot-Schwarz-Grün versprechen viel. So einen mit einer Milliarde Euro dotierten Zukunftsfonds. Dadurch soll in moderne Infrastruktur, Technologien sowie Klimaschutz investiert werden. Mit einer strategisch ausgerichteter Regionalentwicklung soll nachhaltiges Wachstum im ganzen Land ermöglicht und sollen die Kommunen gestärkt werden.

Mit zusätzlichen Stellen für Polizei und Justiz soll der Rechtsstaat gestärkt und die Sicherheit überall in Brandenburg erhöht werden. Beitragsfreie Kita-Jahre sollen die Eltern entlasten und ein Schritt in Richtung kostenloser Bildung sein. Mehr Fachkräfte in Kita und Schule sollen die Bildungsqualität verbessern. Mit einem Pakt für die Pflege sollen Pflegebedürftige und ihre Familien vor Ort unterstützt werden.

Die Kenia-Koalition verspricht mehr ökologische Landwirtschaft sowie mehr Tier- und Artenschutz als Beitrag zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Mit einer verbindlichen Klimastrategie, dem Verzicht auf neue Tagebaue, dem Ausstieg aus der Braunkohle bis 2038, dem Verzicht auf eine Umsiedlung von Dörfern und einer konsequenten Energiewende soll der Klimaschutz zu einem Schwerpunkt der Kenia-Koalition in Brandenburg werden. Dank einer strategischen Strukturentwicklung soll die Lausitz nach dem Kohleausstieg zu einer innovativen Energie- und Industrieregion mit europäischer Vorbildwirkung werden.

Die Chancen der Digitalisierung sollen genutzt werden. Der Zuzug und die Zuwanderung sowie die vermehrte Rückkehr geborener Brandenburgerinnen und Brandenburger in ihre Heimat bereichern das Land, so die Autoren. Von der Fähigkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt auch in Vielfalt zu leben, hänge es ab, ob Brandenburg seine Potenziale verwirklichen könne. Der Koalitionsvertrag wendet sich klar gegen Hass, Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus, politischer und religiöser Extremismus jeder Art, die im freiheitlichen und weltoffenen Brandenburg niemals die Oberhand gewinnen dürfen. Die Beziehungen zu Polen sollen weiter ausgebaut werden. Die Kenia-Koalition bekennt sicht zur europäischen Einigung und will sich der globalen Verantwortung, zum Beispiel bei den Themen Klimaschutz und Migration, stellen. Die Koalitionäre versprechen eine Zusammenarbeit in enger, vertrauensvoller und konstruktiver Weise um Brandenburg stabil zu regieren, voranzubringen, besser zusammenzuhalten und, wo nötig, neu zusammenzuführen.

Hehre Worte. Papier ist geduldig. Es zählt nur, was hinten rauskommt. Abgerechnet wird bei der nächsten Wahl. Die Kenia-Koalition kann schon einmal als Erfolg verbuchen, dass Elon Musk in Grünheide bei Berlin seine europäsische Tesla „Gigafactory“ für Batterien und Elektroautos bauen will.

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Das Foto zeigt Dietmar Woidke auf dem SPD Bundesparteitag am 19. März 2017 in Berlin. Foto Copyright: Olaf Kosinsky (info@kosinsky.eu).

Artikel vom 26. November 2019 um 22:05 deutscher Zeit.