Youssef Chahed soll eine neue tunesische Regierung bilden

Aug 03, 2016 at 14:24 912

Präsident Essebsi hat Youssef Chahed von der Partei Nidaa Tounes damit beauftragt, eine neue tunesische Regierung zu bilden. Chahed bleiben nun 30 Tage Zeit, um ein neues Kabinett zu präsentieren.

Youssef Chahed ist der Neffe von Essebsis Schwiegersohn. Da der Präsident seinen Sohn Hafed bereits als Führer von Nidaa Tounes installiert hat und ihn laut Kritikern als seinen Nachfolger aufbaut, macht bereits die Warnung vor einer neuen Familiendynastie die Runde.

Nach dem Regimewechsel in Tunesien von 2011 handelt es sich diesmal allerdings um eine demokratische Aktion, welche vom Präsidenten wie von den bisherigen vier Regierungsparteien unterstützt wird.

Die durch ein Misstrauensvotum mit 118 Nein, 3 Ja und 27 Enthaltungen zu Fall gebrachte Regierung von Habib Essid war nur vom 6. Februar 2015 bis zum 30. Juli 2016 im Amt.

Der Technokrat Habib Essid scheiterte mit seinem zur Hälfte aus Unabhängigen bestehenden Kabinett an der harschen Wirklichkeit Tunesiens sowie an politischen Kabalen.

Die Korruption vergiftet nach wie vor das Leben der Tunesier. Die wirtschaftliche Lage ist traurig, was viele junge Tunesier in ihrer Verzweiflung in die Arme der Terroristen des IS nach Syrien sowie in die Hände anderer extremer Kräfte treibt.

Die Arbeitslosenrate beträgt in Tunesien rund 15%. Das Wachstum erreicht 2015 nur schwache 0,8%. Das Defizit lag im Juni 2016 bei 5,1% des BIP. Die Exporte gingen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um 2,6% zurück. Die direkten Auslandsinvestitionen sanken gar um 5%. Die Ölproduktion geht seit 2007 stetig zurück. Die tunesische Zentralbank sieht 2016 das Wachstum des Landes bei lediglich 1,8%, die Inflation bei 3,7%.

Mit solchen Wirtschaftszahlen konnte sich die Regierung keinen Rückhalt verschaffen. Zwar gelang es Premierminister Habib Essid nach den Anschlägen von Sousse, die Sicherheitslage unter Kontrolle zu halten. Doch die Touristenzahlen sanken im ersten Halbjahr 2016 um 21,5% gegenüber dem Vorjahr. Nach einem Anschlag vom November 2015, bei dem 12 Mitglieder der Präsidentengarde getötet wurden, verhängte Präsident Essebsi den Ausnahmezustand über das Land. Tunesien versinkt nicht wie Libyen im Chaos. Dennoch erwarten sich Wähler und Parteien mehr von ihrer Regierung.

Nun soll es Youssef Chahed (*1975) als Premierminister richten. Der Agro-Ökonom schloss 2003 seine Studien mit einem Doktorat am Institut national agronomique Paris-Grignon ab. Von 2003 bis 2009 unterrichtete er Agroökonomie am Institut supérieur d’agriculture de Lille. Nach der Revolution von 2011 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Partei Al Joumhouri, um später der Partei Nidaa Tounes als Exekutivmitglied beizutreten. Im Februar 2015 wurde er Staatssekretär für Fischerei im Kabinett von Regierungschef Habib Essid, der ihn im Januar 2016 zum Minister für die Collectivités locales aufwertete.

Präsident Béji Caïd Essebsi (*1926!) kann schon auf Grund seines Alters nicht Tunesiens Zukunft verkörpern. Zudem hat er in seinem Buch aus dem Jahr 2009, Bourguiba. Le bon grain et l’ivraie (Amazon.fr), indirekt klar gemacht, dass er eher zurück als nach vorn blickt. Bourguiba ist kaum eine Figur, die dem heutigen Tunesien den Weg ins 21. Jahrhundert weisen kann.

Es bleibt zu hoffen, dass die heutigen politischen Kräfte sich ihrer Lage bewusst sind. Immerhin haben am 13. Juli neun Parteien sowie die wichtigen Gewerkschaften UGTT und UTAP sowie die Arbeitgeberorganisation Utica sich unter Präsident Essebsi auf ein gemeinsames Regierungsprogramm geeinigt. Youssef Chahed kommt nun als Premierminister die Aufgabe zu, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden und Tunesien aus dem wirtschaftlichen Wellental herauszuheben.

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Der tunesische Premierminister Youssef Chahed 2016 in Genf. Foto: Wikimedia Commons.

Artikel vom 3. August 2016 um 14:24 Schweizer Zeit.