Benin. Geraubte Geschichte – Museum am Rothenbaum Hamburg

Aug 01, 2022 at 00:56 980

Endlich liegt der Katalog zur Ausstellung Benin: Geraubte Geschichte (Benin: Looted History) im Museum am Rothenbaum Hamburg (MARKK) vor. Er handelt von den weltberühmten Bronzen aus Benin, ihrer Geschichte und ihrer (kommenden) Restitution nach Nigeria. Die Ausstellung wurde am 17. Dezember 2021 eröffnet und dauert voraussichtlich noch bis Ende 2022.

Im Katalog führt die Direktorin des MARKK und Benin-Spezialistin (siehe Rezension von 2009) Barbara Plankensteiner mit ihrem Beitrag ein in die Kunst und die Geschichte des Königreichs Benin. In einem weiteren Essay beschreibt sie die Sammlungsgeschichte der Benin-Werke im Museum am Rothenbaum. Weitere Katalogbeiträge anderer Autoren behandeln koloniale Logiken, die Verteilungspraktiken von Kriegsbeute des britischen Militärs, die Rolle von Hamburger Handelsfirmen, das Thema Provenienzforschung, die Geschichte der nun anstehenden Restitution, die zeitgenössische Kunstszene in Benin-City und mehr.

Ebenfalls im Katalog vorgestellt wird das internationale Verbundsprojekt Digital Benin, das im MARKK angestossen wurde und das die globale Forschungskooperation zu diesem Thema dank der Förderung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung ermöglicht. Hier werden die in alle Welt verstreuten Benin-Artefakte digital wieder zusammengeführt. Laut dem Katalog arbeiten auf Digital Benin bereits 124 Museen weltweit zusammen.

Weltweit gibt es rund 900 Benin-Bronze-Reliefs, die im 17. Jahrhundert den Königspalast in Benin schmückten und heute noch immer Einblicke geben in das damalige Hofzeremoniell. Im Februar 1897 eroberten die Briten das Königreich Benin in Westafrika, das vom 15. bis ans Ende des 19. Jahrhunderts bestand.

In der Folge wurden nach Schätzungen zwischen 4000 und 5000 Bronzen sowie Kunstwerke aus Elfenbein und Holz von der britischen Kolonialmacht und ihren Soldaten aus dem Königspalast geraubt und danach in alle Welt verkauft. 179 Artefakte aus unterschiedlichen Materialien fanden so ihren Weg in das damalige Völkerkundemuseum der Hafenstadt Hamburg, die in den Kolonialhandel eingebunden war und über die viele dieser Objekte in alle Welt verstreut wurden. Durch die britischen Plünderungen wurde natürlich viel Geschichte zerstört, Zusammenhänge gingen verloren.

Berlin, Köln und Stuttgart sind einige der anderen deutschen Städte, in denen sich ebenfalls noch Benin-Bronzen und andere Objekte befinden und in denen ebenfalls die Diskussion um die Rückgabe dieser geraubten Werke stattfindet. Allein in Deutschland gibt es über 1100 Artefakte aus unterschiedlichen Materalien aus Benin in rund 20 Museen, die meisten davon in Berlin.

Der Generaldirektor der National Commission for Museums and Monuments Nigeria (NCMM), Professor Abba Isa Tijani, begrüsst in seinem Vorwort die Ausstellung und den Katalog als Wendepunkt im globalen Umgang mit Fragen des kulturellen Eigentums. Nigeria wolle nicht den Kunstfreunden in Hamburg die Beziehung zu diesen Objekten nehmen, sondern vielmehr langfristige Beziehungen zwischen der Hansestadt Hamburg und Nigeria aufbauen. Viele Artefakte werden nach der Übertragung der Eigentumsrechte an Nigeria als Dauerleihgaben in Deutschland bleiben, um als Botschafter Nigerias und der Benin-Bevölkerung, den Edo, zu fungieren. Abba Isa Tijani baut auf die zukünftige Kooperation zwischen der NCMM und dem MARKK sowie anderen Hamburger Museen.

Die Restitution der Benin-Artefakte ist für das MARKK der gegebene Anlass, die vielfältige Benin-Sammlung in ihrer Gesamtheit ein letztes Mal zu zeigen; das war seit Beginn des 20. Jahrhunderts nie mehr der Fall, so Barbara Plankensteiner.

Zum Thema deutscher Kolonialismus, koloniale Raubkunst, Rassismus und Ignoranz gibt es noch einiges aufzuarbeiten. In vielen Fällen ist die Quellenlage allerdings schwierig.

Lektüre zum Thema Benin-Bronzen

Barnaby Phillips: Loot: Britain and the Benin Bronzes. Oneworld Publications, 2021, 371 Seiten. Order this English book from Amazon.de, Amazon.co.uk.

Barbara Plankensteiner, Hg: Könige und Rituale. Höfische Kunst aus Nigeria. Snoeck Publishers, Gent, Belgien, 2007/2008, 535 S. Katalog / Buch bestellen bei Amazon.de. Unsere Rezension aus dem Jahr 2009.

Der gleichnamige Katalog zur Ausstellung Benin: Geraubte Geschichte (Benin: Looted History) 2022 ist im MARKK erhältlich.

P.S. Das von den Briten 1897 unterworfene ehemalige Königreich Benin ist heute Teil von Nigeria (Edo State), also nicht zu verwechseln mit dem heutigen Staat Benin (Republik Benin), der im Osten an Nigeria grenzt.

Zitate und Teilzitate in dieser Buchkritik / Rezension von Benin: Geraubte Geschichte sind der besseren Lesbarkeit wegen nicht zwischen Anführungs- und Schlussszeichen gesetzt.

Buchkritik / Rezension vom 1. August 2022 um 00:56 deutscher Zeit.