Das Grüne Gewölbe zu Dresden

Jul 16, 2017 at 15:38 1288

Die Geschichte des Grünen Gewölbes

Das Grüne Gewölbe zu Dresden gehört zu den Höhepunkten deutscher Sammelkunst. Die Dauerausstellung im Residenzschloss widmet sich der Schatzkunst der Renaissance und des Barock. Dabei handelt es sich um eine der wenigen Schatzkammern Europas, die ihren historischen Bestand weitestgehend bewahren konnten.

Die Ursprünge der Sammlung Grünes Gewölbe liegen in der um 1550 von Kurfürst August von Sachsen angelegten „Geheimen Verwahrung“ im Westflügel des Residenzschlosses. Der Name „Grünes Gewölbe“ geht auf einzelne Architekturelemente wie die Kapitelle der Säulen zurück, die einst grün gestrichen waren.

Ursprünglich war die Schatzkammer der Öffentlichkeit nicht zugänglich. 1723 befahl August der Starke im geheimen Tresorraum die Errichtung einer prachtvollen Ausstellungsarchitektur, die öffentlich zugänglich sein sollte – damals ein einzigartiges Novum für die Schatzkammer eines europäischen Adelshauses, so der kompakte Ausstellungsführer Das Grüne Gewölbe zu Dresden (Amazon.de).

So entstanden unter der Leitung von Matthäus Daniel Pöppelmann acht aufeinander bezogene Räume, deren Schönheit zusammen mit den fürstlichen Schätzen zu einer prachtvoll Präsentation verschmolzen. Die Räume blieben bis zum Zweiten Weltkrieg unverändert. Das Schloss ging 1945 in Flammen auf und lediglich drei der acht Räume des Historischen Grünen Gewölbes wurden nicht zerstört. Die Rote Armee transportierte die Schätze in die Sowjetunion, wo sie bis 1958 blieben, ehe sie als Teil der Sammlung Albertinum wieder in Dresden ausgestellt wurden. 2004 schliesslich wurden 1089 Exponate im Neuen Grünen Gewölbe präsentiert, das sich im ersten Stock des wiederaufgebauten Residenzschlosses über den historischen Räumen befindet. Hier können bis heute die einzigartigen Werke in einer zeitgemässen Museumspräsentation aus der Nähe betrachtet werden. Das Historische Grüne Gewölbe wiederum öffnete 2006 seine Pforten. Hier kann die Kunst nun wieder so wie 1733 beim Tod von August dem Starken bewundert werden.

Das Residenzschloss in Dresden. Hier befindet sich unter anderem das weltberühmte Grüne Gewölbe. Foto Copyright © Staatliche Kunstsammlungen Dresden ; Foto: David Brandt, 2013.

Drei Meisterwerke aus dem Neuen Grünen Gewölbe zu Dresden

Den Einband des empfehlenswerten Museumsführer. Das Neue Grüne Gewölbe (Amazon.de) ziert ein Detail der Statuette der Daphne, die um 1579 bis 1586 entstanden ist. Der Entwurf dazu stammt vom herausragenden Nürnberger Goldschmied Wenzel Jamnitzer, die Ausführung von seinem Sohn Abraham Jamnitzer. Dieser wiederholte mit Hilfe der Gussformen aus der väterlichen Werkstatt bis ins Detail eine Statuette, die sein Vater zwischen 1571 und 1575 geschaffen hatte und die sich heute im musée national de la Renaissance im nördlich von Paris gelegenen Schloss Ecouen befindet.

Um sich den Annäherungen des Gottes Apoll zu entziehend, verwandelte sich laut dem antiken Dichter Ovid die Nymphe Daphne in einen Lorbeerbaum. Im Werk von Wenzel und Abraham Jamnitzer ist die Nymphe in grösstenteils vergoldetes Silber gegossen, wobei der aus ihren Händen und dem Kopf spriessende Lorbeerbaum mit Hilfe einer roten Koralle dargestellt wird.

Die Grosse Elfenbeinfregatte (siehe das Foto weiter unten) im ersten Raum der sächsischen Kurfürsten des Neuen Grünen Gewölbes stammt von Jakob Zeller und entstand 1620 in Dresden. Der Künstler vollendete sein Werk aus Elfenbein, Gold und Eisen nur wenige Monate vor seinem Tod. Die Planken des Schiffsrumpfes zieren die eingeschnitzten Namen der sächsischen Kurfürsten beginnend mit Harderich, der kurz noch Christi Geburt gelebt haben soll, bis hin zum damals regierenden Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, der Jakob Zeller damals die horrende Summe von 3000 Gulden für die Grosse Fregatte aus Elfenbein mit Neptun bezahlte. Die scheinbar vom Wind geblähten Segel des Schiffes sind aus Elfenbein, wobei die Hauptsegel zudem die Wappen des kurfürstlichen Paares, Johann Georgs I. von Sachsen und seiner Gemahlin Magdalena Sybilla von Brandenburg, zeigen. Die Fregatte wird getragen von Neptun, der auf zwei Pferden sitzt. Hinzu kommt Fortuna, die Göttin des wechselnden Geschicks. Sie balanciert auf einer geflügelten Kugel, die in einer Muschelschale auf dem Rücken wilder Meerrosse liegt. Dies war ein Hinweis von Jakob Zeller auf die Unwägbarkeiten des Herrscherglücks, das Johann Georg I. beeindruckt haben dürfte, der gerade den Beginn eines Krieges erlebte, der 30 Jahre dauern sollte. Dies sind nur einige Details eines Wunderwerkes aus Elfenbein, das jeden Besucher in seinen Bann zieht.

Als dritte Kostbarkeit aus dem Neuen Grünen Gewölbe sei noch auf den Thron des Grossmoguls Aureng-Zeb auf originalem Tisch verwiesen. Die Goldschmiedearbeit (142 cm x 114 cm x 58 cm) der Biberacher Gebrüder Johann Melchior Dinglinger und Georg Friedrich Dinglinger und ihrer Werkstatt beeindruckt durch eine Fülle an Details. Der Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger schuf sein Hauptwerk ohne Vorbild und Vorläufer und es blieb bis heute ohne Nachfolge. Dieser Höhepunkt spätbarocker Juwelierkunst besteht aus einem Holzkern, Gold, Silber, das teilweise vergoldet wurde, Edelsteinen, Perlen und Lackmalerei.

Der legendäre Grossmogul Aureng-Zeb aus Delhi galt als reichster Mann seiner Zeit und regierte von 1658 bis zu seinem Tod 1707 über den gesamten indischen Subkontinent. Die Goldschmiedearbeit zeigt den alljährlich fünf Tage dauernden Geburtstag des Moguls. Er beschäftigte die Werkstatt-Dinglingers sechs Jahre lang und wurde von Reiseberichten inspiriert. 5223 Diamanten, 189 Rubine, 175 Smaragde, 53 Perlen, 2 Kameen und 1 Saphir wurden in dieser Goldschmiede- und Juwelierarbeit verarbeitet. Sie kostete August den Starken die Summe von 58’485 Talern.

Aureng-Zeb thront im Zentrum unter einem Baldachin. Die Fürsten und anderen Mächtigen seines Reiches präsentieren ihm Geburtstagsgeschenke. 132 goldene Figuren sind zu sehen, die insgesamt 32 Geschenke mitbringen, darunter ein Reise- und ein Jagdelefant, zwei Kamele und vieles mehr.

Fregatte. Elfenbein, Gold, Eisen. Signiert von Jakob Zeller. Dresden, datiert 1620, Höhe 115 cm, Breite 80 cm. Foto Copyright © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Grünes Gewölbe; Foto: Jürgen Karpinski.

Drei Meisterwerke aus dem Historischen Grünen Gewölbe

Das Historische Grüne Gewölbe prunkt mit unermesslichen Schätzen, die in einem extra dafür geschaffenen, extravaganten Dekor präsentiert werden. Die Liste an Meisterwerken ist fast unendlich. Zu bewundern gibt es eine Prunkkassette mit indischen Perlmutterarbeiten des 16. Jahrhunderts, die mit Goldschmiedefassungen von Nicolaus Schmidt aus Nürnberg versehen wurde. Das Grüne Gewölbe besitzt die weltweit grösste Sammlung an Perlmuttkassetten.

Beeindruckend sind die neun Juwelengarnituren von August dem Starken (1670-1733) und seinem Sohn Friedrich August II./August III. Kurfürst und Herzog von Sachsen und König von Polen. Die umfangreichste, die 1719 vollendete Karneolgarnitur alleine umfasst 123 Einzelteile. Sie stammt vom Hofgoldschmied August des Starken, Johann Melchior Dinglinger, und seinem Bruder Georg Friedrich Dinglinger. August der Starke erwarb sie weitgehend anlässlich der Hochzeitsfeier seines Sohnes Friedrich August mit der habsburgischen Erzherzogin und Kaisertochter Maria Josepha 1719.

August III. erwarb 1742 den „Dresdner Grünen“. Es handelt sich mit 41 Karat um den grössten je gefundenen geschliffenen grünen Diamanten. August III. bezahlte der Überlieferung nach 400’000 Taler dafür. Zum Vergleich: Die Errichtung der Frauenkirche kostete ihn „nur“ 280’000 Taler. Der Ursprung des Dresdner Grünen ist unbekannt.

Der Hofjuwelier von Friedrich August III., Franz Michael Diespach, fertigte 1768 aus dem Orden vom Goldenen Fliess zwei Schmuckstücke. Eines davon ist die Hutkrempe, zu welcher der Grüne Diamant zusammen mit zwei Brillanten von 6,3 bzw. 19,3 Karat sowie 411 mittelgrosse und kleinere Brillanten gehören. Die Edelsteine wurden zu einer Agraffe gruppiert. Dieser Hofschmuck wurde Teil der sächsischen Kronjuwelen und befand sich, wie oben erwähnt von 1945 bis 1958 als Kriegsbeute in der Sowjetunion.

Blick in den Pretiosensaal (Gem Hall) im Historischen Grünen Gewölbe. Foto Copyright © Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Foto: Hans Christian Krass.

Weitere sehenswerte Ausstellungen im Residenzschloss Dresden

Wer schon im Residenzschloss Dresden ist, sollte auf keinen Fall weitere hier gezeigte Dauerausstellungen verpassen. Dazu gehört der von 1548 bis 1553 entstandene und 1627 auf seine heutige Höhe erweiterte sogenannte Riesensaal mit Turnier- und Prunkwaffen, Harnisch- und Kostümsammlungen, die zu den weltweit kostbarsten gehören. Hinzu kommt noch die Türckische Cammer mit den osmanischen Schätzen der Dresdner Rüstkammer.

Die 2013 eröffnete Dauerausstellung im Riesensaal wird seit April 2017 ergänzt durch zwei neue Dauerausstellungen der Rüstkammer im Renaissanceflügel des Residenzschlosses Dresden. Auf dem Weg zur Kurfürstenmacht dreht sich weitgehend um die Zeit von zirka 1400 bis 1620 und zeigt sehenswerte Prunkwaffen, Harnische, Textilien und Herrscherbildnisse. Grossartig ist die Ausstellung Macht & Mode: Kurfürstliche Garderobe mit Gewändern, Prunkkleidern, Schuhen, Prunkwaffen und Sätteln aus der Zeit von 1550 bis 1650. Die vier Räume mit Stickereien, Spitzen, Seide und mehr begeistert mit 27 Herrscherkostümen, darunter 4 Damenkleider der Kurfürstin Magdalena Sibylla (1586-1659)sowie Kinderkleidern. Dabei waren erstaunliche Funde zu machen: Die Chefkonservatorin der Rüstkammer, Jutta Charlotte, entdeckte ein orthopädisches Stützpolster in einem Kleid der Tochter von Magdalena Sibylla, die an einer Rückgratverkrümmung litt. 40 Fachleute arbeiteten zwei Jahre lang an der Restauration und Präsentation der neuen Dauerausstellung Macht & Mode: Kurfürstliche Garderobe. Die Arbeit hat sich gelohnt.

Jeder sich respektierende Kulturreisende kommt an einem Aufenthalt in der Residenzstadt Dresden nicht vorbei. Nicht nur ein Besuch des Historischen und Neuen Grünen Gewölbes sind Pflicht. [Ergänzt am 25.11.2019: Der Zwinger mit der Porzellansammlung und der Gemäldegalerie Alte Meister sowie das Albertinum sind weitere Weltklasse-Museen. Ein Konzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden in der Semperoper gehört ebenfalls auf das Programm eines jeden Kulturreisenden. Nach dem spektakulären Kunstraub im Grünen Gewölbe gilt: Auf nach Dresden! Jetzt erst recht!].

Museumsführer. Das Neue Grüne Gewölbe. Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Deutscher Kunstverlag, 2007, 320 Seiten. Das Taschenbuch bestellen bei Amazon.de. Dieses Buch ist die eine Hauptquelle für diesen Artikel.

Das Grüne Gewölbe zu Dresden. The Grünes Gewölbe Dresden. Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Deutscher Kunstverlag, 2007, 96 Seiten. Das Taschenbuch (dritte Auflage 2009) bestellen bei Amazon.de. Dieser kleine Führer ist die zweite Hauptquelle für diesen Artikel.

Artikel vom 16. Juli 2017 um 15:38. Detail zum Riesensaal korrigiert am 21. Juli 2017.