Der neue tschechische Präsident Petr Pavel

Feb 02, 2023 at 23:19 646

In der Stichwahl um die Präsidentschaft in Tschechien siegte der ehemalige tschechische Generalstabschef und frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses Petr Pavel (*1961) gegen den vormaligen Premierminister und Milliardär Andrej Babis (*1954) klar mit 58,32% gegenüber 41,68%.

Insgesamt tat sich weitgehend ein Stadt-Land-Graben auf. In der Hauptstadtregion Prag kam Petr Pavel gar auf 76.37%, Andrej Babis lediglich auf 23,63%.

Von den rund 8,246 Millionen registrierten Wählern gingen im ersten Wahlgang 68,24% an die Urnen, bei der Stichwahl waren es gar 70,25%.

Im ersten Wahlgang mit ingesamt acht Kandidaten stand der parteilose Petr Pavl zwar bereits an der Spitze, doch mit 35,4% nur knapp vor dem von der populistischen ANO-Partei portierten Andrej Babis mit 34,99%. Die drittplatzierte Danuse Nerudova kam lediglich auf 13,92%. Alle anderen Präsidentschaftsanwärter blieben im einstelligen Bereich.

Der Präsident in Tschechien hat nicht nur zeremonielle Aufgaben. Er ernennt den Ministerpräsidenten und die Regierung, die Verfassungsrichter. Zudem ist das Staatsoberhaupt der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er kann Generäle ernennen und befördern. Der Präsident kann zudem die Regierung entlassen oder deren Rücktritt akzeptieren. Das Staatsoberhaupt kann die Ernennung von Ministern verweigern, er darf an Sitzungen beider Kammern des Parlaments teilnehmen und kann dort gar das Wort ergreifen. Er darf an Sitzungen der Regierung teilnehmen und darf von dieser Berichte einfordern. Der Präsident kann dem Parlament bereits beschlossene Gesetze wieder vorlegen. Er ernennt Richter. Der Präsident ernennt alle sieben Mitglieder des Bankrats der Zentralbank auf sechs Jahre.

Auch wenn einige seiner Kompetenzen von der Zustimmung des Ministerpräsidenten oder einem von diesem ermächtigen Minister abhängig sind, so hat der Präsident doch einige Befugnisse, die weit über die repräsentative Funktion hinausgeben. Schon Präsident Havel nützte von 1989 bis 2003 seine Rechte, um auf die Regierungsgeschäfte einzuwirken. Das tschechische Staatsoberhaupt und seine Amtsfülle sind nicht mit jenen in Deutschland, Frankreich oder den Vereinigten Staaten zu vergleichen. Seit 2013 wird der tschechische Präsident direkt vom Volk gewählt.

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Präsident Petr Pavel

Der nun zum Präsidenten gewählte Petr Pavel machte bis 2018 rund 44 Jahre lang Karriere im Militär. Sein Vater war im militärischen Nachrichtendienst tätig. Petr Pavel folgte dem väterlichen Vorbild als regimetreuer Soldat, was ihm bis heute von einem Teil der Wähler vorgehalten wird. Allerdings ist sein Konkurrent Andrej Babis (siehe unten) trotz gegenteiliger Darstellung alles andere als ein unbeflecktes Blatt.

Petr Pavel absolvierte das Militärgymnasium in Opava, danach die Militärhochschule des Heeres in Vyškov, die er 1983 abschloss. Anschliessend diente er als Fallschirmjäger. Von 1985 bis 1989 war er Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Nach der samtenen Revolution blieb er ein Militär.

International auszeichnen konnte sich Petr Pavel, als er 1992 und 1993 für die United Nations Protection Force (UNPROFOR) in der Republik Serbische Krajina tätig war. Dort befehligte er Fallschirmjäger, denen es gelang, eine französische Einheit, die unter Beschuss gekommen war, aus einer scheinbar auswegslosen Situation zu retten. Dafür wurde er nicht nur vom tschechischen, sondern auch vom französischen Staat geehrt. Der franzöische Verteidigungsminister Pierre Joxe überreichte ihm das Militärverdienstkreuz Croix de guerre des théâtres d’opérations extérieurs.

Petr Pavel bildete sich weiter im Defense Intelligence College in Bethesda (Maryland), von 1995 bis 1996 am Staff College in Camberley sowie 2005 am Royal College of Defence Studies in London. Zudem schloss er ein Studium am King’s College London mit einem Master in Internationalen Beziehungen ab. Von 2012 bis 2015 diente er als Generalstabschef der tschechischen Armee, von 2015 bis 2018 als erster Osteuropäer als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. Wäre er als unzuverlässig eingestuft worden, hätte Petr Pavel nie eine solche Nato-Karriere machen können.

Seit seinem Ausscheiden aus dem Militär 2018 galt Petr Pavel als möglicher Anwärter auf das höchste Staatsamt. Während dem Präsidentschaftswahlkampf 2023 positionierte er sich als seriöser, antipopulistischer Staatsmann, der fest im Westen, in der EU und der NATO verankert ist. Sein härtester Konkurrent, Andrej Babis, demontierte sich mit wilden Anschuldigungen, Lügen und fehlender NATO-Bundnistreue selbst, während dem Petr Pavel für mehr Unterstützung für die Ukraine eintrat.

Der ehemalige Premierminister, Milliardär und Populist Andrej Babis

ANO bedeutet im Tschechischen „ja“, und gleichzeitig stehen die drei Buchstaben ANO für „Aktion unzufriedener Bürger“. 2011 trat ANO als Alternative zu den etablierten Parteien und den tschechischen Eliten an, denen insbesondere Korruption vorgeworfen wurde. In der Regierung von Bohuslav Sobotka wurde der ANO-Parteiführer, Unternehmer und Milliardär Andrej Babis Finanzminister. Doch er selbst stand unter Korruptionsverdacht. Er musste zurücktreten, eroberte jedoch 2017 mit seiner Partei mit 29,6% in der Abgeordnetenhauswahl klar am meisten Sitze. Wegen der zersplitterten Parteienlandschaft landete die liberal-konservative Demokratische Bürgerpartei ODS mit nur 11,3% auf dem zweiten Platz. Andrej Babis bildete ein Minderheitenkabinett, mit dem er vom Juli 2018 bis zu den Abgeordnetenhauswahlen im Oktober 2021 als Ministerpräsident regierte.

Das Verfassungsgericht setzte eine Wahlrechtsreform durch. Bei der Neuwahl schaffte es Andrej Babis mit ANO mit 27,1% hinter der Wahlallianz SPOLU von drei Mitte-Rechts-Parteien, die 27,8% gewann, nur auf den zweiten Platz und landete auf den Oppositionsbänken.

Der rechtspopulistische Agro-, Chemie- und Medienunternehmer Andrej Babis ist von slowakischer Herkunft, was seiner Popularität bei einem Teil der Wähler in Tschechien, die vor allem in Kleinstädten und Dörfern, im Böhmerwald und in den Schwerindustriegebieten in Südschlesien zu Hause sind, keinen Abbruch tat und tut.

Sein Vater Štefan Babiš war Diplomat und im tschechoslowakischen Aussenhandel tätig, weshalb Andrej unter anderem in Paris und Genf aufwuchs. Nach der Matura 1974 in Genf absolvierte er bis 1978 an der Wirtschaftsuniversität Bratislava ein Handelsstudium. Danach arbeitete er für die Firma Chemapol Bratislava.

Obwohl sich Andrej Babis gerne als politischer Aussenseiter präsentiert, der unter anderem mit alten Seilschaften aufräumt, wurde er selbst doch 1978 Kandidat und 1980 Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, gehörte zu den kommunistischen Nachwuchskadern und war zudem als IM der tschechoslowakischen Staatssicherheit StB tätig. Als Aussenhandelsdelegierter des Regimes war er nach der Wende gut genug vernetzt, um zu den Profiteuren der Privatisierungen zu gehören.

1985 ging Andrej Babis für das staatliche Aussenhandelsunternehmen Petrimex nach Marokko, von wo er erst nach der samtenen Revolution 1991 nach Prag zurückkehrte. Nach der Auflösung der Tschechoslowakischen Föderativen Republik gründete die Firma Petrimex unter Aussenamtsstaatssekretär Anton Rakicky zusammen mit Andrej Babis sowie Krediten der amerikanischen Citibank die Holdinggesellschaft Agrofert, deren Direktor Babis 1993 wurde. Laut der TAZ behauptete Babis, es seien alte Freunde aus Schweizer Zeiten gewesen seien, die mit einer dubiosen Briefkastenfirma 1995 bei Agrofert einstiegen und es Andrej Babis erlaubten, das Unternehmen zu übernehmen. Agrofert war einst die tschechische Tochtergesellschaft der slowakischen staatlichen Chemiefirma Petrimex. Für sie arbeitete Babis seit den 1980er Jahren. Woher das Geld für die Übernahme wirklich stammte, ist laut TAZ unklar. Unter seiner Leitung florierte Agrofert, übernahm viele Firmen und expandierte ins Ausland.

In der WiWo war 2013 zu lesen, dass Andrej Babis einen Beinahe-Korruptionsskandal erlebte, als er bei der Privatisierung des Ölunternehmens Unipetrol mitbot. Agrofert bekam den Zuschlag, obwohl Mitbewerber mehr geboten hatten. Die offizielle Begründung war, Agrofert sei der bessere „strategische Partner“ gewesen. Am Ende zog Babis sein Angebot zurück, weil der Unipetrol-Wert angeblich durch Flutschäden gesunken sei.

2013 übernahm Andrej Babis mit seinem Agrarkonzern die Mediengruppe MAFRA von der Rheinischen Post Mediengruppe. Seither kontrolliert er eines der grössten Medienunternehmen in Tschechien mit Tageszeitungen, Online-Portalen, Radio-Sendern sowie einem Musik-Fernsehsender, weshalb der Unternehmer damals mit Italiens Silvio Berlusconi verglichen wurde.

Andrej Babis sah sich immer mal wieder mit dem Vorwurf von Interessenkonflikten konfrontiert, so bezüglich EU-Fördergelder für von ihm kontrollierte Unternehmen. Gerade noch vor der Präsidentschaftswahl 2023 wurde er am 9. Januar Prager Stadtgericht vorerst und nicht rechtskräftig vom Vorwurf freigesprochen, EU-Subventionsgelder für den Bau seines Wellness-Resorts Storchennest erschlichen zu haben.

Im Oktober 2021 tauchte der Name Andrej Babis in den Pandora-Papers auf, als einer von 35 ehemaligen oder noch aktiven Staats- und Regierungschefs, denen zweifelhafte Offshore-Geschäfte vorgeworfen wurden. Im Fall von Andrej Babis ging es um eine Offshore-Konstruktion beim Kauf eines Herrenhauses in Mougins an der Côte d’Azur.

Zur fehlenden Wählbarkeit von Andrej Babis kommt hinzu, dass er ein Freund des korrupten, illiberalen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban ist. Im Präsidentschaftswahlkampf 2023 bot er sich als möglicher Vermittler zwischen Russland und der Ukraine an, was natürlich vor allem Putin in die Hände spielt. Er verstieg sich zur Behauptung, sein Rival Petr Pavel wolle Tschechiens Söhne in den Krieg schicken. Bei einem hypothetischen Angriff Russlands auf die NATO-Partner Polen, Estland, Lettland und Litauen liess Andrej Babis durchblicken, er würde diesen Ländern die Unterstützung aus Tschechien verweigern. Später ruderte er auf Twitter zurück, doch der Schaden liess sich nicht mehr beheben.

Pavels erstes Interview nach seiner Wahl: Thema Ukraine

Der BBC sagte Petr Pavel am 1. Februar 2023 im ersten Interview nach seiner Wahl zum Präsidenten Tschechiens, der Ukraine sollte erlaubt werden, der NATO beizutreten, sobald der Krieg [mit Russland] vorbei sei. Er meinte zudem, es gebe so gut wie keine Limiten bezüglich dem, was Länder der Ukraine [zur Verteidigung] senden sollten. Insbesondere betonte er, die Entsendung von Kampfflugzeugen wie den F16 stellten für ihn kein Tabu dar. Allerdings merkte er an, es sei nicht sicher, ob diese in einer für die Ukraine nützlichen Frist geliefert werden könnten.

Die tschechische Republik war das erste westliche Land gewesen, das der Ukraine Panzer und andere Militärfahrzeuge geliefert hatte, darunter aus Sowjetzeiten stammende T72s und BMP1, mit denen die Ukrainer vertraut sind, weshalb sie sofort eingesetzt werden konnten. Rund ein Jahr nach Beginn des Krieges sind die Vereinigten Staaten, Grossbritannien, Deutschland und andere endlich bereit, Kiew wie gewünscht westliche Panzer wie den Leopard 2, Challenger 2 und M1 Abrams zu liefern. Petr Pavl meinte, nur wenige Menschen hätten sich vorstellen können, dass westliche Länder bereit sein würden, der Ukraine moderne Kampfpanzer, auf grosse Distanz einsetzbare Artillerie oder Luftabwehr-Systeme zu liefern. Das sei nun Realität. Zurecht fügte er an, doch gleichzeitig sähen wir, das es immer noch nicht genug sei, um Russlands bedeutenden Ressourcen an Menschen und Material entgegentreten zu können. Er zeigte Verständnis für die Enttäuschung in Kiew über die Langsamkeit inbesondere bezüglich der Lieferung von westlichen Panzern. Petr Pavel drückte die Hoffnung aus, der Westen werde die Waffenlieferungen beschleunigen, insbesondere im Fall der von Russland erwarteten Frühlingsoffensive. Zurecht konnte er darin keine – wie nicht zuletzt in Deutschland oft in völliger Verkennung der Tatsachen behauptete – Eskalation des Krieges erkennen. Petr Pavel unterstrich, dass wenn die Ukraine verlöre, dann verlören wir alle. Der neu gewählte tschechische Präsident betonte, unsere Städte  würden nicht von der russischen Artillerie und russischen Raketen zerstört, doch unsere Zukunft könnte zerstört werden, wenn wir die Ukraine nicht erfolgreich unterstützten, um den Konflikt zu beenden. Er trat zudem der Behauptung von Menschen wie dem vormaligen Premierminister und erfolglosen Präsidentschaftskandidaten  Andrej Babis entgegen, er, Petr Pavel, schlösse die Tür zur Diplomatie. Sobald eine noch so kleine Chance auf Friedensverhandlungen bestünde, sollten wir diese unterstützen. Doch im Moment gebe es dazu keine Signale aus Russland. Das Ende des Krieges liege in russischer Hand. Es bräuchte ledigliche eine Entscheidung von Präsident Putin, die russischen Kräfte aus der Ukraine abzuziehen, und der Krieg wäre vorbei. Zuletzt merkte Petr Pavel gegenüber der BBC an, das ukrainische Militär werde wahrscheinlich über das erfahrenste Militär in Europa verfügen. Die Ukraine verdiene es, ein Teil der Gemeinschaft demokratischer Länder zu sein. Auf Nachfrage fügte er an, dass dies (die Mitgleidschaft) auch für die NATO gelte.

Der abtretende Präsident und Populist Milos Zeman

Noch ein Wort zum abtretenden Präsidenten Milos Zeman: Wer glaubt, Andrej Babis sei der schlimmste Populist unter den Spitzenpolitikern in der Republik Tschechien, der hat sich noch nie mit Milos Zeman befasst. Nach einer antideutschen Schmutzkampagne gewann der ehemalige Premierminister Milos Zeman die Präsidentschaftswahl 2013 mit gut 55% gegen knapp 45% für den ehemaligen Aussenminister Karel Schwarzenberg, der neben der tschechischen noch die schweizerische und österreichische Staatsangehörigkeit besitzt. Zeman verunglimpfte pauschal alle Sudetendeutschen als fünfte Kolonne Hitlers und bezeichnete Schwarzenberg als Sudetendeutschen.

2002 meinte Milos Zeman in einem Haaretz-Interview, Israel solle so, wie einst die Tschechoslowakei die Sudetendeutschen vertrieben habe, die Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen rauswerfen; den PLO-Vorsitzenden Jassir Arafat verglich er mit Adolf Hitler.

2011 bezeichnete Milos Zeman den Islam pauschal als „Antizivilisation, die sich von Nordafrika bis nach Indonesien erstreckt. Zwei Milliarden Menschen leben in ihr, finanziert teils durch Öl-, teils durch Drogengeschäfte“. Gläubige Muslime stellte Zeman auf eine Stufe mit Antisemiten und Nationalsozialisten.

Nach der Krim-Annexion durch Putin 2014 kritisierte Milos Zeman die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegenüber Russland und bezeichnete den Konflikt als „Bürgerkrieg“. Zudem bezeichnete er die Euromaidan-Revolution, die zum Sturz des korrupten, russophilen Präsidenten Wiktor Janukowytsch geführt hatte, als „keine demokratische Revolution“. Erst mit Putins Eskalation des Krieges im Februar 2022 rückte Milos Zeman vom Kreml ab. Er nannte den Krieg eine „unprovozierte Aggression“ Russlands gegen die Ukraine, machte sich für Sanktionen gegenüber Russland stark und meinte laut Deutsche Welle nur Stunden nach der russischen Eskalation in einer dramatischen Kehrtwende bezüglich Putin: „Der Verrückte muss isoliert werden“.

Angesichts der vielen Fehltritte seines Vorgängers Milos Zeman und seines Rivalen um das höchste Staatsamt, Andrej Babis, meinte Petr Pavel nach seiner Wahl zurecht: „Mein Motto ist: Kooperation, Anständigkeit und normale Kommunikation“.

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Photo von General Petr Pavel aus dem Jahr 2020. Cropped von Jan Kameníček. Wikimedia Commons, Creative Commons Attribution 4.0 International license.

Artikel vom 2. Februar 2023 um 23:19 deutscher Zeit. Einige Tippfehler eliminert bis am 3. Februar 2023 um 00:09.