Aus unserem Archiv: Während der Art Basel ist die Stadt am Rhein mehr als noch sonst eine Reise Wert. Nicht nur lockt die führende Kunstmesse der Welt, sondern lokale Museen legen sich ebenfalls ins Zeug. Insbesondere die Fondation Beyeler in Riehen begeistert immer wieder mit Sonderausstellungen. So im Jahr 2000 mit Andy Warhol (Katalog bei Amazon.de), 2001 mit Mark Rothko, 2009 mit Alberto Giacometti, 2012 mit Jeff Koons sowie dieses Jahr, noch bis am 7. September 2014, mit der Schau Gerhard Richter: Bilder / Serien (Amazon.de).
Zu vielen Künstlern kann man alle paar Jahre wieder einen ähnlichen Artikel anlässlich einer neuen Ausstellung schreiben. Nicht so zu Gerhard Richter, der sich auch in fortgeschrittenem Alter immer noch weiterentwickelt, sucht, zweifelt und neue Arbeitsmethoden in sein Schaffen einbaut. So geschehen mit den Strip-Bildern, deren Entstehung wir in der Rezension von Streifen und Glas beschrieben haben. Die Strip-Bilder sind hypnotisch-blickabweisend: Man möchte hinsehen, doch der Blick kann den Streifen nicht lange standhalten.
Die Fondation Beyeler bietet in ihrer Richter-Ausstellung jedoch noch viel mehr. Es sind vor allem Werke zu sehen, die der deutsche Künstler als Serien, Zyklen oder Räume konzipiert hat. In einem Interview 1985 sagte er zu diesem Thema: Es sei sein Traum gewesen, „dass die Bilder zum Umfeld werden, selbst Architektur werden.“
Insgesamt sind in Riehen rund 100 Gemälde, 60 übermalte Fotografien und zwei Glasobjekte Richters zu entdecken. Den einzelnen Werkgruppen werden immer wieder Einzelwerke gegenübergestellt, die oft Ikonenstatus erhalten haben. Gemeinsamkeiten und Unterschiede können so herausgearbeitet werden.
Die Ausstellung in der Fondation Beyeler entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und demonstriert sein Interesse an der wechselseitigen Beziehung zwischen Werkgruppen und Ausstellungsraum, Einzelbild und Umgebung. Ein Höhepunkt der aktuellen Schau bildet der 15teilige Zyklus 18. Oktober 1977, der sich auf den Selbstmord einiger RAF-Terroristen in Untersuchungshaft in Stammheim bezieht. Die Werkgruppe entstand 1988 und ist normalerweise im MoMA in New York zu bewundern (der Katalog dazu ist Pflichtlektüre für Richter-Fans; Amazon.de, Amazon.com, Amazon.co.uk).
Als Künstler, der der DDR entflohen war, lag Gerhard Richters Verständnis für die Ziele und Methoden der RAF bei Null, wir er mehrfach betont hat. Doch beeindruckte ihn der Willen und Mut der Terroristen. Gleichzeitig verstand er die harte Haltung des Staates. Spannend ist nun in der Ausstellung zu sehen, dass im Jahr der Entstehung des Stammheim-Zyklus Gerhard Richter daneben seine Ikone Betty schuf, die in mehrfacher Hinsicht ein Gegenpol zum brutalen, politischen Sujet 18. Oktober 1977 bildet.
Den stärksten Eindruck in der Fondation Beyeler hinterliessen jedoch die grossformatigen Zyklen Cage 1-6 aus dem Jahr 2006 (alle jeweils 290 x 290 cm bzw. 300 cm x 300 cm gross) sowie die vier grossformatigen Gemälde aus dem Bach-Zyklus von 1992 (jeweils 300 cm x 300 cm).
In der Schweiz wird Gerhard Richter bereits seit 1966 regelmässig ausgestellt. Den Beginn machte eine Einzelausstellung in der Galerie Bruno Bischofberger. Das Kunstmuseum Luzern zeigte 1973 als erstes schweizerisches Museum eine Ausstellung seiner Werke. Das Kunstmuseum Winterthur hat seit 1998 gleich mehrere Richter-Schauen organisiert, so Gerhard Richter: Streifen und Glas sowie Gerhard Richter: Aquarelle und Zeichnungen.
Zurück zu Basel 2014: An der Art Basel 2014 standen einige Richter zum Verkauf, allerdings zu astronomischen Preisen. Die Fondation Beyeler zeigt acht Grau-Bilder in ihrer Ausstellung. Bei der Münchner Galerie Thomas war ein Bild aus dem Grau-Zyklus aus dem Jahr 1974 für $2,9 Millionen im Angebot. Doch das war noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Das frühe Ölgemälde Horst mit Hund (80cm x 60cm) aus dem Jahr 1965 bot die Galerie Acquavella aus New York für $6 Millionen an.
Auch wer kein Sammler mit tiefen Taschen ist, kann noch bis am 7. September 2014 in der Fondation Beyeler die Kunst von Kunst von Gerhard Richter zum Preis eines Museumtickets erleben.
Der Katalog zur Ausstellung: Gerhard Richter: Bilder / Serien. Fondation Beyeler, Riehen / Basel 2014, 188 Seiten, 2014. Das Buch bestellen bei Amazon.de.
Die Fondation Beyeler alleine ist schon immer eine Reise wert. Siehe das Buch zum Bau: Renzo Piano – Fondation Beyeler. Ein Haus für die Kunst. Birkhäuser Verlag, 2. erweiterte Auflage, 2001, 152 S. mit 60 Farb- und 170 s/w-Abb. Bestellen bei Amazon.de. Der 1998 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnete Renzo Piano hat mit der Fondation Beyeler einen ausgezeichneten Museumsraum geschaffen. Die 2. Auflage des Buches zum Gebäude bezieht den nur zwei Jahre nach der Fertigstellung des Museums im Herbst 2000 eröffneten Erweiterungsbau ein. Entwurf, Ausführung, Gebäudetechnik, Konstruktion, Typologie, Architekturgeschichte, Landschaftsarchitektur, Sammlungspräsentation sowie die bisherige Ausstellungspraxis sind Aspekte, die von einem halben Dutzend Autoren vorgestellt werden.
Rezension von Gerhard Richter: Bilder/Serien (Amazon.de) ursprünglich am 10. August 2014 hinzugefügt. Rezension am 27. März 2023 um 18:56 Schweizer Zeit zu unseren Seiten in neuem Design erneut hinzugefügt.
