Goethes Haus am Weimarer Frauenplan

Jan 03, 2021 at 08:10 1688

Gerade noch bevor Deutschland Anfang November alle Hotels für den Tourismus schloss, schaffte ich es noch in Goethes Haus am Weimarer Frauenplan, das nur zwei Gehminuten vom Hotel Elephant Weimar entfernt ist.

Das ehemalige Weinberghaus im Park an der Ilm war Johann Wolfgang Goethes erster eigener Wohnsitz in Weimar. Er ersteigerte es 1776 bereits wenige Monate nach seiner Übersiedelung nach Weimar. 1782 zog er an den Frauenplan, wo er erst als Mieter zuerst die Westhälfte des Helmerhausischen Hauses bewohnte. 1792 erwarb Herzog Carl August das ganze Haus, um es Goethe als Wohnhaus zu überlassen, der es insgesamt als Mieter, Besitzer und Eigentümer fast 50 Jahre lang bewohnte. Das Buch von Christian Hecht, Goethes Haus am Weimarer Frauenplan, will eine Kunstgeschichte eben dieses (zweiten) Goetheschen Hauses in Weimar bieten, das ein halbes Jahrhundert lang sein Lebensmittelpunkt war.

Das Haus wurde 1709  vom Weimarer Unternehmer Georg Caspar Helmershausen im barocken Stil erbaut. Die Fassade des Hauses hat sich seitdem nur farblich verändert. Aus dem «barocken» Hellblau wurde ein «klassizistisches» Gelb. Das «Goethehaus» wurde nach den Vorgaben des Dichters umgebaut und gestaltet. Heute ist weitgehend der Zustand aus Goethes letzten Lebensjahren zu besichtigen. Es ist eines der bedeutendsten Baudenkmäler Europas.

Das Buch Goethes Haus am Weimarer Frauenplan präsentiert die barocke Fassade des Hauses, Goethes Umbau des vormals Helmershausischen Gebäudes, das Bildprogramm des Treppenraumes sowie der Empfangsräume, die Goethe seinen Gästen öffnete, denn nur diese Bereiche sind in einer Weise gestaltet, die es erlauben, sie als Kunstwerke Goethes zu deuten. Hinzu kommen Informationen zu Goethes «Hausverblendung», die er selbst konzipiert, aber nie umgesetzt hat. Dieses Vorhaben wird wir erstmals vorgestellt und analysiert.

Goethes Garten am Wohnhaus am Weimarer Frauenplan. Foto Copyright: Maik Schuck, Weimar-GmbH.

Der Umbau des Goethehauses begann im Frühjahr 1792 und zog sich über mehrere Jahre hin. Goethe veränderte damals die innere Struktur des Hauses und stattete die Repräsentationsräume mit einer Reihe wandfester Bildwerke aus, die sich zu einem von Goethe selbst verantworteten Bildprogamm fügen, das den Charakter des Hauses wesentlich bestimmt.

1885 erfolgte die Gründung des Goethe-Nationalmuseums. Die Einrichtung des Museums erforderte eine tiefgreifende Renovierung, die auf recht hohen Standards erfolgte und die bauliche Struktur des Hauses völlig bewahrt hat.

Es herrscht der Eindruck vor, das Haus wäre am 22. März 1832 «halb Zwölf Uhr» gleichsam
eingefroren worden. Tatsächlich trifft das im Arbeits- und im Sterbezimmer weitestgehend zu, in den meisten anderen Räumen aber nicht. Dort findet man neben Stücken, deren goethezeitlicher Standort bekannt ist, auch Objekte, die zwar aus dem Besitz Goethes stammen, die jedoch neu arrangiert wurden, weil unbekannt ist, wo sie sich ehemals befanden. Ausserdem kamen im Laufe des 20. Jahrhunderts offenkundige Novitäten hinzu. So steht der heutige Besucher im unteren Bereich des Treppenhauses und im Büstenzimmer vor Heizungsverkleidungen des frühen 20. Jahrhunderts. Hinzu kommen Probleme, die sich beim Wiederaufbau des am 9. Februar 1945 beschädigten Gebäudes ergeben haben. Seither hat die Beanspruchung des Hauses durch einen endlosen Besucherstrom Restaurierungen erzwungen, Sie waren nötig, haben jedoch neue Eingriffe in die Originalsubstanz erforderlich gemacht. Laut Christian Hecht wird es in absehbarer Zeit weitere Eingriffe geben.

Das Wesentliche des Hauses ist jedoch erhalten. Das gilt bereits für sein Äusseres, das immer noch so aussieht, wie Goethe es kannte. Die von ihm selbst entworfene Treppenanlage hat den Bombenangriff von 1945 vergleichsweise glimpflich überstanden. Erhalten sind zudem die Bildprogramme der Repräsentationsräume, obwohl vor allem die wichtigen Supraporten im Juno- und im Urbinozimmer nach 1945 unsachgemäß erneuert wurden. Dennoch würde Goethe sein Haus sofort als das seine erkennen, schreibt Christian Hecht. Zehntausende von Realien und Archivalien sowie die von Goethe selbst gewünschten Bildprogramme vereinen sich zu einem Kosmos, dessen Bestandteil und dessen Hülle das Haus am Frauenplan ist. Dieses Haus ist der Kontext zum Werk eines sperrigen Nationaldichters, der sich schon zu Lebzeiten – und bis heute – niemals für fremde Zwecke hat vereinnahmen lassen, so der Autor.

Christian Hecht, Goethes Haus am Weimarer Frauenplan. Hirmer Verlag, November 2020, 220 Seiten, 130 Abbildungen in Farbe, 26 x 26 cm, gebunden. Das Buch bestellen bei Amazon.de.

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Buchkritik / Rezension vom 3. Januar 2021. Hinzugefügt um 08:10 deutscher Zeit.