Hotel Louis C. Jacob

Mai 11, 2004 at 00:00 1165

Das Hotel in Hamburg Nienstedten. Geschichte, Rezension, Fotos

Das Hotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee in Hamburg Nienstedten ist das kleine, aber feine Schmuckstück der hanseatischen Hotel- und Gastronomielandschaft. Es begeisterte den Schreibenden beim Testbesuch 2003.

Das Hotel Louis C. Jacob wurde im Juni 1996 nach umfassenden Renovationsarbeiten sowie Neu- und Anbauten durch das Lübecker Architektenbüro Helmut Riemann wiedereröffnet. Bald nach der Wiedereröffnung durch die Eignerfamilie Rahe/Schmittner Mitglied wurde es Mitglied bei der ausgezeichneten Hotelvereinigung Relais & Châteaux. Seit dem 1. Juli 2002 gehört es als eines der handvoll „Leading Small Hotels“ in Deutschland zum exklusiven Hotelverbund The Leading Hotels of the World.

1791 markiert den Beginn der Geschichte der berühmten Gastronomendynastie Jacob in Nienstedten, aus dem das heutige Hotel entstand, doch die Ursprünge des Restaurants reichen bedeutend weiter zurück. Dokumente von 1648 belegen, dass im letzten Jahr des Dreissigjährigen Krieges der Bauer Heinrich Lüdemann den ursprünglichen Kätnerhof an den Nienstedter Pastor Tobias Fabricius verkaufte. Nach mehreren Zwischenbesitzern gelangte er 1765 in den Besitz von Margaretha Catharina Burmester, der Witwe eines Hamburger Bürgers und Zuckerbäckers. Deren 1757 geborene Sohn Nicolaus Paridom Burmester übernahm den Hof 1780 und führte von hier aus seine weithin bekannte und erfolgreiche Zuckerbäckerei.

Blick in die Wohnhalle des Hotels. Photos © Hotel Louis C. Jacob, Hamburg.

Doch seine Leidenschaft für das Abfeuern von Böllern, um so ein- oder auslaufende Segelschiffe zu begrüssen, in der Seemannssprache „Flaggendippen“ genannt, wurde ihm zum Verhängnis. Seine pyrotechnischen Fertigkeiten waren wohl weniger entwickelt als die des Zuckerbäckers. Vielleicht verschätzte er sich bei der Pulverladung, zündete zu früh oder wurde das Opfer einer defekten Kanone. Jedenfalls explodierte die Böllerkanone am 18. Juni 1790 und verletzte den Zuckerbäcker so stark, dass er kurz darauf verstarb. Der Kanonensplitter, der den Leib des Unglücklichen zerfetzt hatte, wurde bis zum Rückzug der Familie aus dem Geschäft im Restaurant Jacob als besondere Attraktion, als Art Reliquie einer schrecklichen Familientragödie ausgestellt.

Die Witwe des Zuckerbäckers, Elisabeth Burmester, heiratete wohl nicht zuletzt wegen ihrer noch unmündigen Kinder bereits am 16. März 1791 wieder. Der Glückliche hiess Daniel Louis Jacques. Der gebürtige Franzose war vor den Wirren der französischen Revolution geflohen. Er deutschte seinen Namen ein und so wurde aus Jacques Jacob. Zudem soll er 3000 Goldmark für das Anwesen bezahlt haben. Warum er dies tat – er hätte es ja einfach nur „erheiraten“ brauchen – blieb sein Geheimnis. So jedenfalls hatte er freie Hand, um aus dem Haus und Grundstück zu machen, was ihm beliebte.

Bereits am 1. April 1791 gründete Daniel Louis Jacob sein Restaurant in Nienstedten, das damals zum dänischen Altona gehörte. Das nahe deutsche Hamburg mit seinen rund 100,000 Einwohnern schien im wohl eine ausreichende Geschäftsbasis darzustellen.

Die Lindenterrasse. Photos © Hotel Louis C. Jacob, Hamburg.

Bereits 1791 legte der gelernte Landschaftsgärtner Daniel Louis Jacob die berühmte Lindenterrasse an, mit welcher er die Parkkultur der Hamburger Villen beeinflusste; Er war ja ursprünglich nach Nienstedten gekommen, um sich bei Peter Godeffroy als Landschaftsgärtner zu verdingen.

Am ersten April 1791 bewirtete Jacob erstmals Gäste am Elbhang. Die königlich-dänische Schankkonzession wurde allerdings erst 1802 in Kopenhagen ausgestellt. Die Mühlen der Bürokratie mahlten langsam.

Der Franzose Daniel Louis Jacob war seinen Konkurrenten kulinarisch weit überlegen. Allerdings ging auch er hin und wieder durch harte Zeiten. 1802 quartierten sich die Dänen ein, mit denen er sich allerdings gut arrangiert zu haben scheint. Die rund 300 Franzosen, die zur rund 300 Mann starken Kommandantur in Nienstedten gehörten und zur Bewachung der Küstenlinie abgestellt waren, bereiteten ihm weniger Freude. Doch Übergriffe waren dank dem strengen Regiment selten. Die Kosaken kamen 1813 als Befreier, ihre Disziplin war leider weniger ausgeprägt. Daniel Louis Jacob notierte, dass er 1400 Mann, Generale, Obersten und Hauptleute, zu verpflegen hatte und dabei 11,000 Mark einbüsste. Dennoch florierte der Gasthof unter der ersten Generation der Jacob-Dynastie.

Der soziale Aufstieg war vorprogrammiert. Eine seiner Töchter heiratete Hamburgs Bürgermeister Dr. Hachmann. Der älteste Sohn, Louis Jacob, konnte nicht zuletzt dank dem Einsatz der Mutter ein solides Geschäft übernehmen, das gleichwohl nicht über viel Betriebskapital verfügt zu haben scheint.

Die Hausmarke bei Jacob war der berühmteste Champagner jener Zeit, „Clicquot yellow label“. Das war kein Zufall. Die berühmte Witwe Madame Clicquot-Ponsardin bezog bei ihrem Hamburg-Besuch im Jacob Quartier. Die Bekanntschaft mit dem ausgewanderten Landsmann führte zu einer dauerhaften Geschäftsbeziehung. Fortan bezog Jacob als einziger Gastronom der Gegend seinen Champagner direkt aus den Kellern der Witwe.

Die Elbsuite. Fotos © Hotel Louis C. Jacob, Hamburg.

1853 wurden Altona die bis dahin gewährten Zollprivilegien entzogen, 1867 wurde es preussisch. Damals entstand auch eine neue Eisenbahnlinie von Altona nach Blankenese. Auf der Trasse der heutigen S-Bahn in Klein Flottbek wurde eine Station eingerichtet. Das brachte dem Jacob, das damals in einigen Reiseführern als „Sehenswürdigkeit“ erwähnt wurde, noch mehr kaufkräftige Kundschaft.

Bereits um 1860 hatte sich für das Jacob die Bezeichnung „Hotel“ eingebürgert. Das Haus verfügte allerdings nur über ein paar wenige Zimmer. Erst der Enkel des Firmengründers, Louis Carl Jacob, baute den Gasthof konsequent zum Hotel aus. Hochrangige Gäste schauten bei ihm vorbei und akzeptierten ihn als ebenbürtigen Gesprächspartner. Zu den illustren Besuchern zählten der Banker Salomon Heine, der Agrarreformer Caspar Voght und der Altonaer Konferenzrat Johann Daniel Lawaetz. Später waren illustre Gäste wie Carl Laeisz, der eine Flotte der schönsten und schnellsten Windjammer unterhielt, die Grossherzöge von Oldenburg, Mecklenburg und Hessen, der spätere König Ludwig von Bayern, Kronprinz Friedrich Wilhelm, der Reeder Albert Ballin sowie der Reichskanzler Wilhelm Cuno zu Gast.

Auf der Terrasse im Jacob trafen sich immer wieder Künstler, darunter diejenigen des 1897 gegründeten Hamburger Künstlerclubs. Sie trafen sich hier 1902 zu Gesprächen mit Max Liebermann. Diesem Erbe ist das heutige Hotel verpflichtet, denn die Louis C. Jacob Collection umfasst über fünfhundert Arbeiten von Malern und Grafikern des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, die in Hamburg gelebt oder zeitweise gearbeitet haben. Das Kunstkonzept des Jacob sorgt dafür, dass in jedem Zimmer mindestens zwei grafische Blätter hängen, von denen jeweils zumindest eines von einem Hamburger Künstler stammt. Zur Sammlung gehören auch einige Werke von Max Liebermann, der bereits 1891 von Alfred Lichtwark beauftragt wurde, ein Portrait des Hamburger Bürgermeisters Carl Friedrich Petersen zu malen. Im Sommer 1902 schliesslich verbrachte Max Liebermann mehrere Monate im Jacob. Das Hotel besitzt heute einige seiner Werke, darunter das hier entstandene Lindenterrassen-Gemälde, das in der Wohnhalle hängt. Das weltberühmte Meisterwerk mit dem selben Sujet, aber anderer Blickrichtung, hängt in der Hamburger Kunsthalle.

Mein geliebtes Liebermannzimmer, in dem nicht nur der Maler Max Liebermann einst malte und wohnte, sondern auch der Schreibende 2003 und 2012 zu Gast war. Liebermann hat übrigens 1902 ein Pastell gemalt, welches dieses Zimmer zeigt. Fotos © Hotel Louis C. Jacob. Nebenbei: Die Badezimmer im Louis C. Jacob sind aus Marmor und geschliffenem Granit. Leider kein Photo dazu.

Bei den Bauarbeiten in den 1990er Jahren fanden die Restaurateure beim Ablösen der Tapeten im alten Ballsaal zwei Jugendstil-Wandgemälde mit auf den Putz gemalten Flamingos in Phantasielandschaften, welche die Jahrzehnte überdauert haben und deshalb heute das Jacobs Restaurant bereichern.

Den Eiskeller von 1850, in dem einst Getränke und Speisen auf grossen Eisblöcken frisch und kühl gehalten wurden, entdeckten die Architekten zufällig bei der Restaurierung in den 1990er Jahren und stellten ihn wieder her. Heute wird der über eine Wendeltreppe erreichbare Raum für Weinproben und kleine, exklusive Veranstaltungen genutzt.

Der 1922 verstorbene Louis Heinrich Jacob verkörperte die vierte Generation der Gastronomendynastie. Neben dem Gründer des Gasthofs scheint er die stärkste Persönlichkeit gewesen zu sein. Sein Sohn Louis Carl Matthias Jacob schliesslich tanzte aus der Reihe und gründete ein Importgeschäft für Markenspirituosen, während dem die Louis Jacob GmbH das Restaurant und Hotel bewirtschaftete.

Ab 1925 übernahmen verschiedene Pächter das Haus, für das nun eine wechselvolle Zeit anbrach. 1937 wurden bis dahin preussische Orte wie Altona sowie 27 Gemeinden zu Hamburger Stadtteilen gemacht. Das Jacob wurde nun auch formal eine „Hamburgensie“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg requirierte die britische Besatzungsmacht das Jacob für Militärangehörige und machte es – wie das Vier Jahreszeiten – zu einem Transit-Hotel für Offiziere. Danach wurde das Jacob als Kinderheim für Kriegswaisen und andere Heimkinder genutzt. Doch bereits mit der Währungsreform 1948 wurde das Haus wieder seinem alten Zweck zugeführt. Ein Jahr später berichtete die Hamburger Presse über eine glanzvolle Hochzeit im Jacob.

Ab 1955 gelang es dem neuen Pächter Jürgen Parbs, die ruhmreiche Tradition des Jacob wieder aufleben zu lassen. Die Hamburger kamen wieder her. In den 1960er Jahren galt es erneut als eine erstklassige kulinarische Adresse, die nun sogar weltweit Anerkennung fand. Neben Politikern trugen sich Schriftsteller wie Carl Zuckmayer, Erich Kästner und Henry Miller ins Gästebuch ein. Filmstars wie Hans Albers, Nadja Tiller und Marika Rökk, Showstars wie Vico Torriani und Zarah Leander, Theaterleute wie Gustav Gründgens und Will Quadflieg, die Operndiva Maria Callas und die Fussballtrainerlegende Sepp Herberger besuchten das Jacob.

Doch in den 1960er Jahren begann der Abstieg. Statt auf Büttenpapier wurde das Silvestermenu 1966 auf Kunstseide gedruckt. Ein Boulevardblatt berichtete über „Maden, Mäuse und Bazillen in der Küche“. Es kam zu einem Prozess und der Pächer entliess belastetes Personal und gestaltete die Küche mit rostfreiem Stahl hygienisch neu. Doch bald darauf verlor Parbs die Lust.

Die Aussenansicht des Hotels. Fotos © Hotel Louis C. Jacob, Hamburg.

Die Erben des letzten, 1963 verstorbenen männlichen Nachkommen der Jacobs-Dynastie versteigerten 1970 das Inventar des Traditionshauses. Doch die Erbengemeinschaft der Familie Jacob und der neue Pächter, der Gastronom Armin Gustav hatten sich ein Verkaufsrecht einräumen lassen, um die schönsten Stücke in ihren Besitz zu bringen.

Unter Armin Gustav wurden die 24 Betten im ersten Stock renoviert, die Kapazität des Restaurants von 260 auf 350 Plätze erhöht. 1971 erfolgte die Neueröffnung. Doch der auf zwanzig Jahre angelegte Pachtvertrag hielt kein halbes Jahrzehnt. Als das Jacob als mögliche neue Spielbank ins Gespräch kam, betrachtete dies Armin Gustav als unzumutbare Belastung seines Pachtverhältnisses und zog sich 1975 zurück. Doch das Haus erhielt keine Spielbankkonzession. Danach folgten einige Pächter in rascher Folge. Am längsten hielten es das Ehepaar Annelore und Uwe Lauk aus, von 1982 bis 1989.

1989 kauften Alice von Skepsgardh und Hubertus Heinrich, die bereits einige Restaurants mit Erfolg geführt hatten, das Jacob von den beiden Töchtern des 1963 verstorbenen Louis Carl Matthias Jacob. Sie erwarben nicht nur die Immobilie, sondern auch den Namen. Doch sie hielten nicht lange durch, ihre hochfliegenden Pläne von einem Hotel und Restaurant setzte erst die Familie des Kaufmanns Horst Rahe um.

Die Familie Rahe erwarb auch zwei Immobilien auf der dem Louis C. Jacob gegenüber liegenden Strassenseite: Das Landhaus Dill und das Holthusen. Im Dill gab es seit den 1820er Jahren eine Gastwirtschaft, in der auch Backwaren verkauft wurden. Louis Pieper und der Bäcker Christian Heinrich Dill, der ab 1871 mit ihm zusammen arbeitete, gaben dem Haus erstmals einen guten Namen. Nach dem Tod von Pieper 1880 kaufte Dill das Haus 1906 von dessen Witwe, führte die Gastwirtschaft und Backstube weiter und gab dem Haus den Namen, den es auch unter den nachfolgenden Besitzern behielt.

Blick in das Jacobs Restaurant. Fotos © Hotel Louis C. Jacob.

Ab 1976 pachtete der Österreicher Volkmar Preis das Landhaus Dill. Ihm gelang es, mit Spitzenköchen wie Josef Viehhauser dem Jacob Konkurrenz zu machen, denn in den 1980er Jahren erkochte sich das Dill gar einen Michelin-Stern. Unter der Familie Rahe erhielt das Dill seinen Traditionsnamen aus dem 19. Jahrhundert, als es als „Kleines Jacob“ bezeichnet wurde, zurück. Es wird heute als rustikales Weinlokal genutzt.

Das Projekt Louis C. Jacob drohte in den 1990er Jahren an vielen Widerständen von Anwohnern und Behörden zu scheitern. Heute ist es die Attraktion der Gegend. Dass das Restaurant ein herausragender Erfolg wurde, verdankt es dem Küchenchef Thomas Martin. [Hinzugefügt 2012: Küchenchef Thomas Martin hat für seine Arbeit im Jacobs Restaurant am 7. November 2011 seinen zweiten Michelin-Stern erhalten].

Die Familie Rahe/Schmittner engagierte 1997 Jost Deitmar als geschäftsführenden Direktor von Hotel und Restaurant. Der aus dem Münsterland stammende Deitmar wurde am Celler Fürstenhof zum Hotelkaufmann ausgebildet. Er erwarb sich in der Schweiz und im Londoner Savoy Hotel praktische, internationale Erfahrung. Seinen akademischen Feinschliff erhielt er wie so viele erfolgreich im Hotelgeschäft tätige an der Cornell University in New York.

Jost Deitmar führte das Louis C. Jacob zur bisher grössten Blüte in seiner ruhmreichen Geschichte. Der Varta Führer 2002 ernannte ihn denn auch zum „Gastgeber des Jahres“ und verlieh ihm die Varta Segnitz Trophy, der Schlummer Atlas 2003 zeichnete ihn als „Hotel-Manager des Jahres 2003“ aus.

Ein Besuch im Louis C. Jacob ist ein Erlebnis. Insbesondere der alte Teil des Hotels begeistert. Geschichte und Patina lassen sich nicht kaufen.

Quellen, Literatur, Bücher:
– Kurt Grobecker: Louis C. Jacob. Zwei Jahrhunderte Restaurant- und Hotel-Geschichte. Ernst Kabel Verlag, Hamburg, 1996, 144 S. Das Buch ist die Hauptquelle für den nebenstehenden Artikel.
– Louis C. Jacob, Restaurant und Hotel an der Elbchaussee. Katalog Altonaer Museum, Hamburg, 1995.
– Erich Lüth: Die Geschichte vom Weinrestaurant Daniel Louis Jacob. Hgg. Jürgen Parbs, Hamburg, 1966.
– Erich Lüth: Daniel Louis Jacob und seine Nachbarn. Die Geschichte eines Weinrestaurants. Herausgegeben zur Wiedereröffnung des Weinhauses Jacob im 180. Jahr seines Bestehen, von Armin Gustav. Hamburg, 1971.

Das Hotel in der Abenddämmerung. Fotos © Hotel Louis C. Jacob.

Artikel vom 11. Mai 2004. Ergänzt am 12. Mai 2004. Neue Fotos hinzugefügt am 17.12.2019.