Lucas Cranach der Ältere. Meister – Marke – Moderne

Mai 24, 2017 at 14:08 643

2017 gedenken insbesondere Protestanten rund um die Welt des Thesenanschlags von Martin Luther an der Schlosskirche zu Wittenberg vor fünfhundert Jahren. Dank Gutenbergs Buchdruck konnten sich die neuen, auf deutsch formulierten Ideen zwar rasch verbreiten, doch in einer Zeit, in der nur wenige lesen und schreiben konnten, waren dazu noch andere Mittel notwendig.

Die Ideen Martin Luthers wurden durch die Bilder von Lucas Cranach (1472-1533) dem Älteren der breiten Bevölkerung bekannt gemacht. Das Werk des Malers machte die Reformation populär. Seine Bilderwelt half entscheidend mit, den Menschen den Glauben an Gott neu zu erschliessen.

Der Katalog und die Ausstellung im Museum Kunstpalast in Düsseldorf Lucas Cranach Der Ältere. Meister – Marke – Moderne gehen indirekt auf die Initiative von Gunnar Heydenreich, Professor für Kunsttechnologie und Restaurierungswirtschaft an der Technischen Hochschule Köln und langjähriger Mitarbeiter des Restaurierungszentrums der Landeshauptstadt Düsseldorf zurück. Er initiierte vor acht Jahren ein visionäres Forschungsprojekt: Das Cranach Digital Archive (cda). Bis heute wurde so über 1600 Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren mittels rund 14,000 Abbildungen erschlossen. Forschung und Öffentlichkeit haben so Zugang zu Fotos, Dokumenten Werk- und Provenienzinformationen zum Künstler. Ermöglicht wurde dies durch die Andrew W. Mellon Foundation, die das Projekt seit Anbeginn grosszügig unterstützt hat.

Das Museum Kunstpalast in Düsseldorf hat nun die Expertise des Cranach Digital Archive und die dadurch entstandenen Verbindungen zur Begegnung mit rund 200 Originalwerken von Lucas Cranach dem Älteren genutzt.

Im Katalogvorwort erklärt Beat Wismer, der Generaldirektor des Museums Kunstpalast, den Untertitel von Ausstellung und Katalog. Da Lucas Cranach unbestritten als Alter Meister gilt, lag „Meister“ als Teil des Untertitels nahe. „Moderne“ erklärt sich daher, dass sein um 1530 in Wittenberg entstandenes Werk Das ungleiche Paar Otto Dix 1925 zu einer veristischen und hochexpressiven Version des Themas angeregt haben soll; das Bild hängt als Dauerleihgabe im Museum Kunstpalast. In Ausstellung und Katalog findet sich denn auch das Thema „Moderne und Cranach“ prominent wieder. Vertreten sind das erwähnte Bild von Otto Dix sowie Werke von Otto Mueller, Ernst Ludwig Kirchner, Pablo Picasso, Alberto Giacometti und anderen, die alle von Lucas Cranach inspiriert wurden. Das Thema „Marke“ wiederum ergebe sich aus der Arbeitsweise des Meisters, der im Wettstreit mit anderen Künstlern seiner Zeit gestanden und sich in einer Werkstatt organisiert habe, was einen starken Wiedererkennungseffekt zur Folge gehabt habe.

Lucas Cranach ist nicht nur einer der bedeutendsten, sondern auch der produktivsten Künstler der Deutschen Renaissance. Der 1472 im fränkischen Kronach geborene Cranach stand seiner Werkstatt rund 44 Jahre vor. Zusammen mit seinen Söhnen Hans und Lucas der Jüngere produzierte die Werkstatt rund 2000 bis heute erhaltene Werke.

Die Werke von Lucas Cranach dem Älteren zeugen von seinem künstlerischen Selbstverständnis und Selbstbewusstsein. Er fand zu innovativen Bildlösungen und stand gleichzeitig in Wechselbeziehung mit anderen herausragenden Künstlern seiner Zeit. Ausstellung und Katalog versuchen eben gerade diese Wechselbeziehung, sein pointenreiches und kreatives Spiel von Rezeption, Aneignung und Überbieten an konkreten Beispielen nachzuzeichnen. Insofern sind Parallelen zur Vermeer-Ausstellung im Louvre durchaus gegeben. Bei Lucas Cranach heissen die Rivalen zum Beispiel Albrecht Dürer und Hans Holbein der Jüngere, bei Vermeer sind es Maler wie Gerard ter Borch, Gerard Dou, Gabriel Metsu, Frans van Mieris und Pieter de Hooch.

Lucas Cranach antwortete in seinem Werk auf Bildfindungen italienischer Künstler wie Jacopo de‘ Barbari und Lorenzo Costa d.Ä. Dabei gelang es Cranach, bestimmte künstlerische Themen so aufzugreifen und zu prägen, dass sie heute untrennbar mit ihm verknüpft sind.

Die Reformation ist Teil eines allgemeinen Kulturwandels, der nicht nur das geistig-religiöse, sonder auch das wirtschaftlich-soziale und das politische Leben erfasste. Die Uniformität mittelalterlichen Glaubens und Denkens wurde zugunsten einer Pluralität überwinden, die sich in der öffentlichen Meinungsäusserung niederschlug. Dem Buchdruck und dem Bild kommen dabei entscheidende Bedeutung zu.

Es waren die Werke von Lucas Cranach, in denen sich erstmals Martin Luthers Positionen zum Gebrauch der Bilder manifestierte und die sich von der althergebrachten Aufgabe befreiten, Gegenstand der Anbetung sein zu müssen. Mit Cranach kann die Kunst befreit von einem kultischen Zweck agieren. Laut Autoren des Katalogs bereiteten Luther und Cranach einer modernen Auffassung von Kunst den Weg.

Im Katalog setzen sich eine Reihe von Autoren mit Themen wie dem selbstbewussten Maler, Cranach im Selbstbildnis, Cranach als Vermittler eines neuen Glaubens, Cranach als Zeichner und der Cranach-Forschung im digitalen Zeitalter auseinander. Der reich bebilderte Katalog ist eine Augenweide und zeigt natürlich alle in Düsseldorf ausgestellten Werke.

Dieser Artikel beruht auf dem Ausstellungskatalog, wobei Zitate zwecks Lesbarkeit nicht immer mit Gänsefüsschen ausgezeichnet sind: Lucas Cranach Der Ältere. Meister – Marke – Moderne. Der Katalog zur Ausstellung im Museum Kunstpalast Düsseldorf vom 8. April bis am 30. Juli 2017. Hirmer Verlag, 2017, 340 Seiten, 377 Abbildungen in Farbe, 24 x 30 cm, gebunden. Das Buch bestellen bei Amazon.de.

Artikel vom 24. Mai 2017 um 14:08 Düsseldorfer Zeit.