Söder holt nur 37 Prozent bei der Landtagswahl in Bayern

Okt 10, 2023 at 12:45 396

Am 8. Oktober 2023 waren rund 9,4 Millionen Stimmberechtigte aufgefordert, ihre Stimme bei der Landtagswahl in Bayern abzugeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 73,3% (2018: 72,3%).

Die CSU regiert in Bayern seit 1957 alleine oder in Koalitionen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder holte 2023 mit seiner CSU nur erbärmliche 37 Prozent, also noch 0,2% weniger als 2018, und fuhr damit das schwächste Ergebnis seit 1950 ein. Er kann zwar mit den Freien Wählern als Koalitionspartner weiterregieren, doch zur Zeit ist er geschwächt.

Noch am Wahlabend um 18:40 betonte Markus Söder daher: “Bayern hat Stabilität gewählt. Und die CSU hat diese Wahl klar gewonnen.” Er hob hervor: “Es ging uns um einen Regierungsauftrag”. Vor allem machte er klar, dass er laut Umfrage in den Augen der Wähler klar der bevorzugte Mann für das Amt des Ministerpräsidenten ist. 60% in Bayern seien für ihn (laut einer Umfrage von Infratest dimap sagten in der Tat 61% der Bayern, er sein ein guter Ministerpräsident, 55% sind mit seiner politischen Arbeit zufrieden).

Zwei Biografien zu Ministerpräsident Markus Söder: Die andere Biografie von Anna Claus sowie Politik und Provokation von Roman Deininger und Uwe Ritzer.

Das vorläufige amtliche Ergebnis der Landtagswahl in Bayern: CSU 37% (-0,2 Prozentpunkte), Freie Wähler 15,8% (+4,2), AfD 14,6% (+4,4), Grüne 14,4% (-3,2), SPD 8,4% (-1,3), FDP 3% (-2,1), ÖDP 1,8% (+0,2), Linke 1,5% (-1,7), sonstige Parteien zusammen 3,5% (-0,3).

Der bayerische Landtag mit insgesamt 203 Sitzen sieht daher wie folgt aus: CSU 85 Sitze, Freie Wähler 37 Sitze, AfD und Grüne je 32 Sitze, SPD 17 Sitze.

Für die Freien Wähler und die AfD handelt es sich jeweils um das beste Resultat bei einer Landtagswahl in Bayern. Für die CSU ist es wie erwähnt das schlechteste Ergebnis seit 1950. Für die SPD handelt es sich gar um den historischen Tiefpunkt. Die Liberalen flogen aus dem Landtag raus, da sie klar unter die 5%-Hürde fielen. Die Linke war schon zuvor im bayerischen Parlament nicht vertreten. Die Parteien der im Bund regierenden Ampel kamen in Bayern insgesamt auf 25,8%.

Bei der Landtagswahl 2023 fand ein Rechtsruck statt. CSU, Freie Wähler und AfD zusammen kommen auf 67,4% der Wählerstimmen. 65% der AfD-Wähler sagten, die CSU sei ihnen nicht konservativ genug, bei den Wählern der Freien Wähler sagten dies immerhin noch 41%.

Trotz einem populistischen Wahlkampf konnte Markus Söder die Freien Wähler nicht kleinhalten. Und auch die Existenz der starken, populistischen Freien Wähler konnte den Aufstieg der AfD nicht verhindern, die in Bayern von Vertretern des inzwischen offiziell aufgelösten rechtsextremen „Flügels“ geführt wird.

Wählerwanderung der CSU-Stimmen laut Infratest dimap:  260.000 Stimmen wanderten von der CSU zu den Freien Wählern und 110.000 zur AfD. Die CSU verlor 90.000 Stimmen an Nichtwähler, an die Grünen nur 30.000, an die SPD nur 20.000, an die FDP 30.000, an andere Parteien 20.000 Stimmen. 100.000 CSU-Wähler zogen weg, 230.000 CSU-Wähler verstarben. Von den Freien Wählern wanderten 120.000 zur CSU, von der AfD nur 30.000, hingegen von den Grünen 140.000, von der SPD 80.000, von der FDP 90.000, von den Nichtwählern 180.000, von den Neuwählern 130.000. Von anderen Parteien erhielt die CSU 80.000 Stimmen sowie von nach Bayern Hinzugezogenen 130.000.

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Hubert Aiwanger ist ein Populist

Hubert Aiwanger (*1971 in Ergoldsbach) ist seit November 2018 stellvertretender bayerischer Ministerpräsident und bayerischer Wirtschaftsminister. Trotzdem brachte er es fertig, am 10. Juni 2023 in Erding auf einer Demonstration gegen das Gebäudeenergiegesetz der im Bund regierenden Ampel zu verkünden, dass „die schweigende grosse Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss“.

Das war kein Ausrutscher. Am 4. Juli 2023 bezeichnete Hubert Aiwanger in der TV-Diskussionssendung von Markus Lanz das Heizungsgesetz als Beispiel dafür, dass es in Deutschland nur noch „eine formale Demokratie“ gebe.

Bis Herbst 2022 stellte sich Aiwanger gegen neue Stromtrassen (BR). Zum Verbot des Verbrennungsmotors ab 2035 sagte Aiwanger 2023, dieses habe „in Wahrheit nicht das Ziel, den Verkehr zu dekarbonisieren“, vielmehr ginge es den „Ideologen“ darum, „das Auto komplett abzuschaffen und jegliche individuelle Mobilität zu verhindern“ (Münchner Merkur).

Hubert Aiwanger sagte 2019 bei den Internationalen Jagd- und Schützentagen auf Schloss Grünau bei Neuburg an der Donau: „Ich bin überzeugt, Bayern und Deutschland wären sicherer, wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte, und wir würden die Schwerkriminellen einsperren. Das wäre der richtige Weg.“ (Süddeutsche Zeitung)

Während der Covid-Pandemie warnte Aiwanger unter anderem vor einer „Apartheidsdiskussion beim Impfen“ sowie von Impfnebenwirkungen. Er versuchte klar bei Impfgegnern, die in Bayern traditionell stark sind, Stimmen zu fischen.

Am 25. August 2023 berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass Hubert Aiwanger als 17-jähriger Gymnasiast der elften Klasse im Schuljahr 1987/88 ein antisemitisches Flugblatt verfasst habe. Hubert Aiwanger sei vom Disziplinarausschuss der Schule zur Verantwortung gezogen worden. Damals soll er laut Zeugenaussagen seine Urheberschaft unter die Hetzschrift nicht abgestritten und zu dieser Zeit offen rechtsextreme Ansichten vertreten haben.

2023 hingegen stellte Hubert Aiwanger dies als Schmutzkampagne, als Hexenjagd vor der Landtagswahl dar. Aiwangers älterer Bruder ging nach dem SZ-Artikel mit der Aussage an die Öffentlichkeit, er sei der Urheber des Flugblattes gewesen, da er wütend darüber gewesen sei, die elfte Klasse wiederholen zu müssen. Er habe mit der „stark überspitzten Form der Satire“… „offen linksradikale Lehrer so richtig auf die Palme bringen“ wollen.

Laut Spiegel-Recherchen sagten Zeitzeugen, 1987/88 sei der Bruder kein politischer Mensch gewesen, Hubert hingegen schon. Alles deute auf Hubert Aiwanger als Verfasser des Flugblattes hin. Wie auch immer, die Tat konnte dem heutigen Politiker nicht nachgewiesen werden. Die Freien Wähler profitierten bei der Landtagswahl 2023 davon, dass sich Hubert Aiwanger als Opfer einer Schmutzkampagne stilisieren konnte.

Es sind keine weiteren antisemitischen Äusserungen Hubert Aiwangers bekannt. Hatte er nicht den Mumm, eine Jugendsünde zu bekennen, oder verfasste tatsächlich der Bruder das Flugblatt und er, Hubert, stellte sich als Jugendlicher heroisch vor ihn?

Am 3. September 2023 gab Ministerpräsident Söder bekannt, an Hubert Aiwanger als Wirtschaftsminister und stellvertretendem Ministerpräsidenten festzuhalten, da es keine eindeutigen Beweise gebe, dass er das Flugblatt verfasst habe. Zudem liege das Ereignis 35 Jahre zurück, ene Entlassung sei nicht verhältnismässig. Aiwanger gebe an, nicht Verfasser des Flugblatts gewesen zu sein. Er gebe zu, in der Jugend Fehler begangen zu haben; er habe sich dafür entschuldigt und davon distanziert. Seither sei nichts Vergleichbares vorgefallen. Zudem veröffentlichte die bayerische Staatsregierung die 25 Fragen und Antworten Aiwangers, die sie an ihn gestellt hatte, die er allerdings zumeist nicht oder nur ausweichend “beantwortete”. Er hatte Erinnerungslücken wie Olf Scholz bei CumEx.

Hier gilt es noch hinzuzufügen, dass Hubert Aiwanger 2012 mit Beatrix von Storch (von der AfD) den Euro-Rettungsschirm stoppen wollte – was nicht unbedingt falsch war – , doch damals gab er dazu ausgerechnet der “Jungen Freiheit”, die zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus oszilliert, ein Interview. Kurzum: Hubert Aiwanger fischt schon mal gern am rechten Rand.

Die Freien Wähler sehen sich als Pragmatiker, nicht als Ideologen. Andere sehen sie als Populisten. In jedem Fall sind sie zu einem grossen Teil Fleisch vom Fleische der CDU.

In Vorwahlbefragungen gaben 39% der Anhänger der Freien Wähler an, sie würden die AfD wählen, wenn es die Freien Wähler nicht gäbe. Laut einer Umfrage von Infratest dimap gaben 57% aller Wähler in Bayern an, sie fänden es gut, wenn die Freien Wähler erneut an der Regierung beteiligt würden. 53% waren der Meinung, die Freien Wähler verstünden am besten, was die Menschen auf dem Land bräuchten. 51% der Befragten gaben an, die Freien Wähler stünden den Bürgern näher als andere Parteine. 47% fänden es gut, wenn die Freien Wähler auch im Bund eine wichtige Rolle spielen würden. Nur 37% gaben an, Hubert Aiwanger geht es mehr um sich selbst als um die Sache. Im Vergleich dazu gaben 58% an, Ministerpräsident Söder gehe es mehr um sich selbst als um die Sache.

50% aller von Infratest dimap Befragten gaben an, mit der politischen Arbeit von Hubert Aiwanger zufrieden zu sein. Allerdings glaubten ihm nur 41%, dass er das antisemitische Flugblatt nicht selbst geschrieben habe.

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Die AfD in Bayern

In Bayern wird die AfD stark von rechtsradikalen Politikern geprägt. Stephan Protschka (*1977 in Dingolfing), ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und führt die AfD in Bayern an. Er gehörte dem inzwischen als rechtsextrem eingestuften “Flügel” der Partei an. Das AfD-Spitzenduo bei der Landtagswahl in Bayern hiess allerdings Katrin Ebner-Steiner (*1978 in Deggendorf), die seit 2018 dem Bayerischen Landtag angehört und ebefalls dem “Flügel” zugerechnet wurde, sowie Martin Böhm (*1964 in Coburg), der ebenfalls seit 2018 im Bayerischen Landtags sitzt und ebenfalls Mitglied des offiziell aufgelösten, rechtsextremen “Flügels” der AfD war.

Laut Infratest dimap sagten 92% der AfD-Wähler in Bayern, es kämen zu viele Fremde nach Deutschland, 91% die Kriminalität werde künftig stark zunehmen, 85% dass ausgegrenzt werde, wer bei bestimmten Themen seine Meinung sage, 84% das die einseitige Unterstützung für die Ukraine Deutschland schade.

Zwei Drittel der Bayern halten die AfD im Freistaat für eine rechtsextreme Partei. Bei den bayerischen Wählern der AfD denken dies allerdings nur fünf Prozent.

Die CSU profitiert nicht von der Schwäche der Ampel

Die wirtschaftliche Lage in Bayern ist gut, sagten laut einer Umfrage von Infratest dimap 58% aller bayerischen Wähler, nur 40% sagten, sie sei schlecht. Allerdings ist hier der Vergleich mit 2018 aufschlussreich. Damals sagten noch 89%, die wirtschaftliche Lage in Bayern sei gut, nur 10% meinten, sie sei schlecht

Die CSU profitiert nicht von der Schwäche der Ampel, da nur 42 Prozent der Bayern der Ansicht sind, dass eine unionsgeführte Bundesregierung eine bessere Arbeit machen würde.

Dass Bayern nach rechts rückt, bezeugt die Umfrage von Infratest dimap, laut der 70% der Wähler in Bayern denken, es sei gut, dass die CSU eine Obergrenze für Flüchtlinge einführen wolle. Nebenbei bemerkt: Deutschland rückt nach rechts. Lars Klingbeil, zusammen mit Saskia Esken Bundesvorsitzender der SPD, meinte am Wahlabend am TV, die Flüchtlingszahlen in Deutschland seien zu hoch.

Laut Infratest dimap meinen 68%, die CSU habe Bayern über die Jahrzehnte hinweg gut getan. Auf die Frage, welche Partei die Wirtschaft in Bayern voranbringen könne, sagen zwar noch immer 44% die CSU, doch ist dies ein Minus von 19 Prozentpunkten im Vergleich mit 2018. 11% sehen die Freien Wähler (+8), 8% die AfD (+7), 7% die FDP (-2), 7% die SPD (unverändert), 5% die Grünen (+1) als beste Partei, um die Wirtschaft in Bayern voranzubringen.

Fazit: Selbst die CSU in Bayern schwächelt.

Noch ein Wort zu den Grünen: 83% sind in Bayern der Meinung, dass es eine andere Asyl- und Flüchtlingspolitik brauche. Selbst von den Grünen-Anhängern sagen dies knapp 50%. Bei der Frage nach der Partei mit der besten Umwelt- und Klimaschutzpolitik sagten die bayerischen Wähler noch 2018 zu zwei Dritteln, dies seien die Grünen. 2023 ist diese Zahl auf nur noch ein Drittel gesunken.

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Artikel vom 10. Oktober 2023 um 12:45 deutscher Zeit.