Umdrehung der Schuld und Defaitismus in ZDF „heute“

Mrz 15, 2022 at 20:29 824

Heute, am 15. März 2022, fragt der Journalist im Studio in der ZDF-Sendung heute von 19:00 bezüglich der Reise des polnischen, tschechischen und slowenischen Premierminsters rhetorisch: „Drei osteuropäische EU-Regierungschefs auf gefährlicher Mission in Kiew. Was soll das?“ Der defaitistische Ton des ZDF-Journalisten, mit dem die Schuld umgekehrt wird, als wären es diese drei Regierungschefs mit cojones, die den Frieden in Europa gefährdeten, und nicht der wahre Hasardeur dieser Geschichte, der russische Diktator Putin. Eine Journalistin schwadroniert im Zusammenhang mit dieser Aktion von Husarenstück. Peinlich.

Anne Gellinek sagte aus Brüssel dazu, die drei Regierungschef hätten „vordergründig“ diese Reise auf dem Gipfel in Versailles letzte Woche angkündigt und abgesprochen. „Sie haben gleichwohl keinen offiziellen Auftrag der EU dafür bekommen.“ Ich: Wie oft haben Franzosen und Deutsche alleine gehandelt, ohne irgend eine Absprache? Anne Gellinek fuhr weiter: „Und dass sie heute, ausgerechnet in dieser Situation dieses Husarenstück wagen, hat die Spitzen hier in Brüssel doch kalt erwischt. EU-Kommission- und EU-Gipfel-Chef beeilten sich zwar heute, zu versichern, dass sie jede Unterstützung der Ukraine begrüssen würden, aber hinter den Kulissen gibt es doch erhebliche Sorgen. Zum Beispiel darüber, welche Fragen man sich hier in Europa stellen müsste, wenn einem der drei europäischen Premierminister etwas zustössen würde, wenn er von einer russischen Rakete getroffen würde. Ausserdem gibt es Zweifel, dass die drei Osteuropäer, alle glühende Unterstützer der Ukraine, tatsächlich die offizielle EU-Linie vertreten, und nicht auf eigene Rechnung arbeiten.“ Unterste Schublade von EU sowie der Journalistin, bei der ob ihrer Wortwahl Kritik an den drei Premiers, nicht aber an der EU durchscheint.

Am 20. Februar hatte ich zu diesem Thema auf Twitter geschrieben (Tippfehler korrigiert und Tags entfernt): „Instead of applause, offer military equipment and soldiers. Western military ships should be in Odessa, military personnel and diplomats in key cities near the border with Russia and Belarus . At least one EU, UK, US president, prime minister, minister of foreign affairs should be in Kiev at any time, relaying each other.

Dies schrieb ich VOR Beginn des Angriffskriegs von Putin, der de facto übrigens seit 2014 andauert. Ich glaubte bis zuletzt nicht an eine grossflächige Invasion der Ukraine. Russland kann mit rund 160.000 (oder auch noch viel mehr) Soldaten ein Land von rund 40 Millionen Einwohnern, die auf einer Fläche von rund 600.000 km2 leben, weder erobern noch halten. Selbst ein Marionettenregime in Kiew fände sich einem Partisanenkrieg gegenüber, den es gegen eine hochmotivierte Bevölkerung, die Putins Russland ablehnt, nicht gewinnen kann.

Die Invasion schien unwahrscheinlich, weil sie militärisch, geopolitisch, diplomatisch, wirtschaftlich, kulturell, etc. selbst für Russland nur in einem Disaster enden kann. Doch da Putin alles zuzutrauen war und ist, twitterte ich ebenfalls von der Bedeutung der Dissuasion: Die Kosten für den Angreifer müssen höher als der daraus zu ziehende Nutzen sein. Deshalb war und bin ich für die Lieferung von Waffen, darunter Raketen gegen Panzer und Flugzeuge sowie Panzer, Helikopter, Flugzeuge, etc. Putin muss klar werden, dass er der wirtschaftlichen und miliärischen Übermacht des Westens, der nicht direkt eingreift, aber Waffen sendet und Informationen (intelligence) teilt, nicht gewachsen ist. Doch die Abschreckung des Westens war völlig ungenügend. Joe Biden – in einem seiner berüchtigten Biden moments – hatte vor dem Krieg angedeutet, die USA würden je nachdem, ob eine Grenzverletzung durch Russland minim oder bedeutend sei, unterschiedlich reagieren. Aussenminister Blinken sowie später Präsident Biden selbst korrigierten dann die Aussage: Jedwede Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine sei nicht hinzunehmen. Deutschland und andere Länder äusserten sich ähnlich. Die Verletzung der territorialen Integrität wurde dann doch hingenommen, obwohl neben Russland auch die USA und das Vereinigte Königreich 1994 das Budapester Memorandum unterzeichnet hatten, bei dem diese Länder der Ukraine ihre territoriale Integrität im Gegenzug für die Vernichtung der eigenen Atomwaffen garantiert hatten; die Ukraine war damals die drittgrösste Atommacht der Welt. Hätte das Land heute noch diese Waffen, Putin hätte es nicht einmal gewagt, die Krim zu annektieren.

Putin hat in einer Rede vor der Annektierung der Ukraine schlicht und ergreifend die Existenz abgesprochen. Diesen Staat gebe es nicht. Für ihn ist die Ukraine ein Teil Russlands. Der Westen hat zwar zurecht weitgehende Sanktionen gegen Russland, insbesondere Vertreter des Regimes, verhängt, doch die Militärhilfe bleibt zu schwach und zu ängstlich. Man könnte ja eine rote Linie Putins übertreten.

Putin diktiert die Agenda. Der Westen reagiert nur. So geht es nicht weiter. Putin hat inbesondere am Schwarzen Meer Fakten geschaffen. Bald könnte er die Moldau annektieren. Dass Putin seine Truppen wieder aus Belarus abzieht, scheint unwahrscheinlich. Deutschland muss sofort alle Öl- und Gasimporte aus Russland stoppen. Putins Land muss vollständig aus dem SWIFT-Verbund ausgeschlossen werden. Halbherzige Waffenlieferungen tun es nicht. Die Ukraine kann Russland schwerste Verluste zufügen, wenn sie noch viel stärker vom Westen unterstützt wird. Nur Stärke zwingt Putin an den Verhandlungstisch.

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President Volodymyr Zelenski. Photo: president.gov.ua.

Artikel vom 15. März 2022 um 20:29 deutscher Zeit. Den Abschnitt zu Anne Gellinek hinzugefügt um 22:42.