Die neue tschechische Regierung von Premierminister Andrej Babiš

Dez. 17, 2025 at 16:10 134

Bereits vom 13. Dezember 2017 bis zum 28. November 2021 führte der Rechtspopulist und (laut Forbes 2025 mit einem Vermögen von €3,3 Millarden) Multimilliardär Andrej Babiš (*1954) die tschechische Regierung. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus (Proporzwahl) vom 3. und 4. Oktober 2025 wurde seine Partei ANO mit 34,5% (+7,4 Prozentpunkte) mit Abstand stärkste politische Kraft. Mit 23,4% (-4,4) abgeschlagen auf dem zweiten Platz landete das Parteienbündnis SPOLU, dem die konservativ-wirtschaftsliberale ODS, die christdemokratische KDU–ČSL und die konservativ-zentristische TOP 09 angehören. SPOLU steht klar für einen EU- und NATO- und Ukraine-freundlichen Kurs.

Die 2011 von Andrej Babiš gegründete Partei Akce nespokojených občanů (ANO) wiederum ist eine Protestpartei. Ihr Akyronym steht für „Aktion unzufriedener Bürger“. Gleichzeitig bedeutet ANO auf tschechisch „ja“. Der Parteislogan lautet denn auch: „Ja, es wird besser“ (Ano, bude líp).

ANO ist EU- und NATO-skeptisch. Andrej Babiš äusserte, die tschechische Rüstungsindustrie könne weiterhin Güter an die Ukraine liefern, das heisst verkaufen. Er lehnt jedoch tschechische Gelder für die Ukraine ab. Der 2024 vom ehemaligen NATO-General und tschechischen Präsidenten Petr Pavel initiierten Munitionsinitiative für die Ukraine steht er kritisch gegenüber. Tschechien gehörte 2022 zu jenen Ländern, die nach Putins Eskalation des Krieges gegen die Ukraine dem angegriffenen Land relativ früh schwere Waffen lieferte. Nun droht Tschechien unter Babiš wie Orbans Ungarn und Ficos und Pellegrinis Slowakei der Ukraine den Rücken zu kehren. In Polen wurde im August 2025 zudem mit Präsident Karol Nawrocki ein zwar formal Unabhängiger, jedoch von der PiS sowie von Donald Trump unterstützter nationalistisch-konservativer Historiker Präsident, der allerdings nicht wie die Populisten in den Nachbarländern Ukraine-kritisch und/oder Putin-freundlich ist.

Bei der Abgeordnetenwahl in Tschechien vom Oktober 2025 kam die rechsextreme Partei Freiheit und direkte Demokratie (Svoboda a přímá demokracie, SPD) auf 7,8% (-4,6) der Stimmen. Das Kürzel SPD hat nichts mit Sozialdemokratie zu tun. Parteichef Tomio Okamura, der Sohn eines Tschechen und einer Japanerin, gründete die SPD 2015; bereits zuvor war er rechtsradikal aktiv gewesen. Wiederholt beschönigte er die Zeit des Nationalsozialismus. 2014 leugnete er den Nazi-Völkermord an Sinti und Roma. In der Zeit der europäischen Migrationskrise 2015 rief er zum Boykott von Muslimen auf. 2017 wollte er den Islam in Tschechien verbieten. Er hetzte auch danach gegen Geflüchtete, will Tschechien aus der EU führen und die Hilfe an die Ukraine einstellen. Dieser Tomio Okamura wurde im 5. November 2025 mit Hilfe der Abgeordneten der Partei ANO von Andrej Babiš, der SPD und den Motoristen mit 107 von 200 Stimmen zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt.

Dies war Teil eines Koalitionsvertrages, mit dem Andrej Babiš am 15. Dezember 2025 als Premierminister einer populistisch-rechtsextremen Regierung zurück an die Macht kam.

Die dritte Partei dieser Regierungskoalition sind die Motoristen, auch AUTO genannt (Motoristé sobě; deutsch: Autofahrer unter sich). Diese rechtspopulistische Partei steht gegen die EU, gegen den Euro, gegen die EU-Klimatpolitik (European Green Deal), gegen Umweltbeschränkungen, gegen Liberalismus, gegen Fahrradwege und für Automobile mit Benzinmotor, für Kohle und Kernkraft, für die tschechische Krone als Währung; Tschechien hat noch immer die Krone, doch verpflichtete sich das Land beim EU-Beitritt 2004, beim Erreichen der Konvergenzkriterien den Euro einführen, wozu es jedoch nie kam.

2018 erklärte die tschechische Regierung unter Andrej Babiš, den Beitritt zur Eurozone auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Im Oktober 2017 sprachen sich laut einer repräsentativen Umfrage 85% der Tschechen gegen die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro aus. In diesem Punkt lagen und liegen ANO und Motoristen auf der Linie der klaren Mehrheit der Bevölkerung.

Zurück zur Abgeordnetenwahl 2025: Die 2022 gegründeten Motoristen kamen auf 6,8% und damit über die 5%-Hürde. Im Unterhaus mit insgesamt 200 Sitzen kontrollieren die ANO 80 Sitze (+8), die SPD 15 (-5) und die Motoristen/AUTO 13 Sitze (neu im Abgeordnetenhaus), zusammen also eine Mehrheit von insgesamt 108 Sitzen.

Die oppositionellen Parteien gewannen folgende Sitze: die wirtschaftsliberale ODS 27 Sitze (-7), die liberale STAN 22 Sitze (-11), die mitte-links-alternative Piratenpartei 18 Sitze (+14), die christdemokratische KDU-ČSL 16 Sitze (-7; 2021 KDU allein 23 Sitze), die liberalkonservative TOP 09 nur noch 13 Sitze (-1).

Obwohl es 2025 um eine wichtige Richtungswahl ging, lag die Wahlbeteiligung bei lediglich 68,9%. Vier Jahre zuvor war sie allerdings mit 65,4% noch tiefer.

ANO, SPD und Motoristen einigten sich nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2025 rasch auf eine Koalition. Andrej Babiš kennt keine Berührungsängste. Bereits im Juni 2024 verliess seine ANO die liberale Fraktion Renew Europe im Europäischen Parlament sowie die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) und gründete zusammen mit Viktor Orbans Fidesz und Herbert Kickls FPÖ im Europaparlament die Fraktion Patrioten für Europa (Patriots for Europe), die rechtspopulistische und rechtsradikale Ideen vertreten.

Berühmte Beispiele von Politikern (Orban, Fico, Erdogan, Netanyahu, Trump), die einst liberal, halbwegs moderat oder populistisch waren, ihr Amt verloren, und sich nach ihrem politischen Comeback (weiter) radikalisierten, lassen für die Zukunft Tschechiens Böses erahnen.

Der einst als opportunistisch, pragmatisch-transaktionaler Geschäftsmann beschriebene Andrej Babiš mit seiner ANO, im Verbund mit SPD und Motoristen, könnte in Zukunft (noch stärker) rechtspopulistisch, rechtsradikal, Demokratie-, EU- und Ukraine-feindlich agieren.

Die am 15. Dezember 2025 in Prag angelobte Regierung besteht neben Premierminister Babiš aus weiteren 8 Ministern von ANO (Finanzen, Handel und Industrie, Gesundheit, Arbeit und Soziales, Bildung, Innenministerium, Justiz, Regionalentwicklung), 3 Ministern der SPD (Verteidigung, Landwirtschaft, Verkehr) und 4 Ministern der Motoristen (Aussenministerium, Kultur, Umwelt sowie Sport, Prävention und Gesundheit).

Der tschechische Präsident Petr Pavel, der laut der Verfassung den Premier und die Minister bestätigen musste, erreichte immerhin, dass Premierminister Babiš sich von seinem Besitz am bedeutenden tschechischen Agrar-, Chemie- und Lebensmittelunternehmen Agrofert, das auch zahlreiche Medien kontrolliert bzw. kontrollierte, trennt. Agrofert soll von einem unabängigen Treuhänder gemanaged werden, um so Interessenkonflikte zu vermeiden. Seine Kinder sollen nach seinem Tod seinen Konzern erben.

Der liberale Präsident Pavel hat zudem verhindert, dass der rechtsextreme Filip Turek von den Motoristen Aussenminister bzw. Umweltminister wurde; Aussenminister Petr Macinka von den Motoristen führt vorerst interimistisch auch das Umweltministerium, bis die Frage um einen neuen Minister geklärt ist. Filip Turek fiel laut Medienberichten in der Vergangenheit durch rassistische, fremdenfeindliche, sexistische, homophobe sowie Hitler und Mussolini verharmlosende Äusserungen und Posts in sozialen Medien auf. Zudem war Turek Miteigentümer einer Firma, die während der Covid-Pandemie Nahrungsergänzungsprodukte verkaufte. Laut der staatlichen tschechischen Lebensmittelaufsicht missbrauchte die Firma die Ängste der Menschen vor dem Virus, um sich über den Verkauf nutzloser Präparate zu bereichern.

Die Corona-Epidemie schwächte die Wirtschaft und die Stimmung der Bevölkerung in Tschechien. Energiekrise, Inflation und Wirtschaftsflaute sowie die Vernachlässigung der Landbevölkerung durch die nun abgewählte Regierung Petr Fiala gaben Populisten und Extremisten auftrieb. Der Stadt-Land-Graben ist in Tschechien gross.

Nach Deutschland und Polen rangiert Tschechien mit rund 400,000 Ukrainern in absoluten Zahlen an dritter Stelle bei der Aufnahme von Flüchtlingen, die vor Putins Eskalation des Krieges gegen die Ukraine ab 2022 in die EU flohen. Der neue Präsident Andrej Babiš hat wiederholt EU-Verteilungsquoten für Flüchtlinge abgelehnt. Zudem will er die Militärhilfe an die Ukraine kürzen. Andere Länder sollen laut Babiš die Ukraine finanziell unterstützen.

Zusammen mit Ungarn und der Slowakei liegt der Premierminister de facto auf einer Putin-freundlichen Linie. Babiš wirft der Vorgängerregierung Geldverschwendung, Bürokratie, Löcher im Haushalt und leere Kassen vor. Dabei hat er im Wahlkampf selbst populistische Versprechen gemacht, die Milliarden kosten würden.

Durch die Wahl von Populisten und Extremisten in Tschechien wird Europa weiter geschwächt. Es rächt sich erneut, dass in der EU das Einstimmigkeitsprinzip nicht längst abgeschafft wurde. Ein einziger Staat kann die Gemeinschaft blockieren bzw. erpressen. Und Tschechien ist nicht allein.

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Foto von Premierminister Babis, 2025. Photo: public domain, via Wikimedia.

Artikel vom 17. Dezember 2025. Hinzugefügt um 16:10 deutscher Zeit.